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Sommerhit: Roman (German Edition)

Sommerhit: Roman (German Edition)

Titel: Sommerhit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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in einem Hagel aus Apfelstückchen, Johannisbeeren und Cornflakes kläglich unter. Hilfesuchend rüttelte sie an Herrn Bonkers Schulter, doch der lächelte nur, nippte an seinem Kaffee und ordnete anschließend eine Scheibe Schnittkäse so auf seinem Brot an, dass sie zur Kruste auf allen Seiten exakt den gleichen Abstand hatte. Die Frühstücksflocken und Beeren, die in seinen Haaren hingen, nahm er überhaupt nicht zur Kenntnis.
    Henning sprang auf den Tisch. Im Prinzip hätte
er
der Anführer sein müssen, denn Henning war muskulös, groß und sah wirklich gut aus. Und er war alles andere als dumm. Aber vielleicht war gerade das der Grund, weswegen er es lieber anderen überließ, die schmutzigen Entscheidungen zu treffen. Eine aber verkündete er jetzt doch höchstselbst.
    »Hört mal alle. Ruhe bitte!«
    Sofort trat Schweigen ein.
    »Ein paar von euch werden nach dem Frühstück in den Ort gehen, um Nachschub zu organisieren. Die anderen erkunden die Gegend. Und heute Abend ist dann Party. Paaar-tieh!«
    Unter Applaus kletterte er wieder vom Tisch und verschwand in Begleitung seiner Spezis, die uns fiese Blicke zuwarfen, als sie am Tischende vorbeikamen.
     
    Ich roch es sofort, als wir das Zimmer betraten. Es war so intensiv, dass auch die anderen es rochen. Selbst Arndts Duftspur wurde davon überdeckt, und außerdem war es nicht zu übersehen. Martin sah mich entsetzt an.
    »So schnell?«
    Immerhin war noch ein bisschen was zu retten. Von meinen Shirts waren zwei sauber geblieben, und zum Glück trug ich meine Lieblingsjeans am Körper. Heiko und Arndt aber war es weniger gut ergangen, ihre sämtlichen Klamotten waren mit Schweinescheiße beschmiert. Überall auf dem Boden und auf unseren Betten klebte sie.
    Arndt lief heulend aus dem Zimmer, leider direkt in die Arme einer größeren Gruppe, die schon in der Tür stand und sich ostentativ die Nasen zuhielt.
    »Ihr Schweine!«, krähte Gerry. »Ihr Schweineficker!«
    Die übrigen lachten. Da waren Henning, die beiden anderen Martins, Michael, Stefan, Thomas, sogar Harald, Christine, zwei von den Sabines und noch ein paar andere.
    »Comment ça va?«, stimmte einer an, und der Rest reagierte sofort: »Kommssie, kommssie,
komm ssah

    Schallendes Gelächter, dann plötzlich wurde es ruhig, weil sich Herr Bonker durch die Gruppe schob. Er sah ins Zimmer, nur kurz, ohne erkennbare Reaktion, drehte sich auf den Hacken um und verschwand wieder, kommentarlos.
    »Herr Bonker schwitzt wie ein Schwein«, brüllte jemand. »Und er hat das Verliererzimmer vollgeschissen! Herr Bonker
ist
ein Schwein!«
    »Herr Bo-honker ist ein Schwa-hein«, skandierten sie, als sie davonzogen und uns in dem Saustall zurückließen.
     
    Beinahe den ganzen Vormittag verbrachten wir damit, unsere Sachen im Hof zu waschen. Allein die erschütterten Blicke, die wir bei dieser stillen Tätigkeit wechselten, sprachen Bände.
    »Wenn das so weitergeht, können wir uns den Strick nehmen«, sagte Martin nur. Die anderen nickten. Arndt schniefte noch immer. Nach dem Schweinescheißeangriff war er mit seiner geliebten Super-8-Kamera verschwunden und erst eine Dreiviertelstunde später ohne sie zurückgekehrt.
    Françoise kam und sammelte wortlos unsere Wäsche ein, die jetzt zwar nicht mehr ganz so sehr stank, aber alles andere als sauber war.
    »Morgen. Frisch«, sagte sie und sah einem nach dem anderen kurz ins Gesicht.
    »Merci«, nuschelte Arndt.
    Françoise nickte. Dann sagte sie leise: »Mauvais enfants«, und trug unsere Klamotten in einem großen Weidenkorb davon, deren unschöner Geruch allerdings noch eine Weile in der Luft hängen blieb.
     
    Anfangs hatte ich die seltsame Dynamik in dieser Klasse für einen Ausdruck pubertärer Wichtigtuerei gehalten, aber damals hatte sich auch erst angedeutet, was sich später daraus entwickeln würde. Cliquen oder Kader oder wie auch immer man das nennen wollte, kannte ich natürlich auch aus meiner früheren Schulzeit. Meist waren es kleine Freundeskreise, die sich aber gegenseitig in Ruhe ließen. Sie speisten sich aus Leuten, die in der jeweiligen Nachbarschaft wohnten, der gleichenPionierbrigade angehörten oder die sich einfach schon seit der frühen Kindheit kannten.
    Aber diese Scherze, die vielmehr Anschläge waren und die sie mit steigender Intensität und immer wohlorganisiert verübten, wiesen darauf hin, dass es hier um Machtstrukturen ging, die weit mehr waren als Imponiergehabe. Neben Gerry und Henning, der sich wohlweislich im

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