Sommerhit: Roman (German Edition)
Gelbton gestrichen waren.
Am Ende des Ganges, von dem zehn Zimmer abgingen, befanden sich die beiden Quartiere unserer Lehrer, jeweils eines auf jeder Gangseite. Es wunderte mich nicht, in einem Zimmer direkt davor zu landen, und als ich es betrat, sahen mich Arndt und der dritte Martin mit einem Blick an, der nicht weniger als »Willkommen in der Verliererklause« bedeutete, was der omnipräsente Geruch von Arndts Füßen noch unterstrich. Direkt hinter mir stolperte der tumbe Heiko in den Raum, schnaufte kurz und wartete dann ab. Selbst in dieser kleinen Gruppe gab es eine Hierarchie. Arndt und Martin sahen mich herausfordernd an, ich lächelte und warf meinen Rucksack oben auf das Doppelstockbett neben dem Fenster. Beide nickten kurz und wählten dann ihre Betten, Heikonahm das verbliebene, unten, direkt neben der Tür. Es knarrte fürchterlich, als er sich drauf warf, die Arme vor der Brust verschränkte und die Augen schloss, als würde er die nächsten vierzehn Tage in dieser Position verbringen wollen.
Während wir dabei waren, die spärlichen Unterbringungsmöglichkeiten für Gepäck unter uns aufzuteilen, öffnete sich die Tür. Frau Erdt steckte ihren Kopf herein, setzte zu etwas an, das mit den Worten »Wenigstens ihr« begann, dann erfüllte ein schmerzhafter Ausdruck ihr Gesicht, sie stockte, schüttelte leicht den Kopf, seufzte und zog die Tür wieder zu.
»Sie kapituliert, bevor der Kampf richtig angefangen hat«, kommentierte Martin, ein gedrungener Junge mit dichten, schwarzen Haaren und sehr großen Füßen, der ziemlich gut in Geschichte und Sozialkunde war, in Fächern, die mit dem Eintritt in die E-Phase etwas gewichen waren, das »Politische Weltkunde« hieß. Dabei lächelte er schmal. »Das ist wahrscheinlich das Beste, was sie tun kann.«
Ich nickte und sah zu Arndt, der auf seinem Bett saß, die schwere Super-8-Kamera in den Händen, und der Martin anstarrte, als sei er das Grauen in Person, als hätte er soeben den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang verkündet.
»Wenn wir ein bisschen Glück haben, lassen sie uns in Ruhe«, sagte ich.
Heiko stöhnte laut, öffnete die Augen aber nicht.
»Wenn wir ein bisschen sehr viel Glück haben«, korrigierte Martin.
Im Gang gab es Lärm, mehrere Leute rannten hin und her, dann polterte eine Faust mehrfach gegen die Tür, und jemand, den ich für Gerry hielt, brüllte »Abendbrot, ihr Pfeifen«.
Zu den wenigen Momenten des Glücks, die ich während der nächsten paar Tage erlebte, gehörte dieses erste Abendessen. Es gab Flammkuchen, die einfach himmlisch schmeckten.Françoise und Bertrand, die beiden Herbergseltern, bäurische Typen um Mitte vierzig, die wie Herr Bonker ununterbrochen lächelten, buken so viele davon, wie wir essen wollten. Dazu reichten sie frische Milch und kalten Tee, aber es dauerte keine fünf Minuten, bis dort, wo die üblichen Verdächtigen jetzt eine schmutzige Schlemmerorgie feierten, Bier- und Weinflaschen auftauchten.
Die beiden Lehrer saßen an unserem Ende der langen, unbehandelten Holztafel, die wie der Berliner Grunewald im Frühherbst roch. Herr Bonker trug immer noch seinen durchgeschwitzten Anzug mit Fliege – ich fragte mich, was sein Gepäck sonst noch enthielt –, Frau Erdt ein weißes T-Shirt und Jeans, aber sie sah trotzdem alles andere als entspannt aus. Sie aßen schweigend, die junge Referendarin blickte gelegentlich auf und beobachtete das Geschehen am anderen Tischende. Vieles an ihrem Gesichtsausdruck erinnerte mich an meine Mutter kurz nach unserer Flucht.
Es war die Ruhe vor dem Sturm, und sie ahnte es.
Gewitter (1983)
Tatsächlich gab es so etwas wie ein Programm, wir sollten Wanderungen unternehmen, zwei Ausflüge per Bus und hatten sogar Unterricht am Vormittag – Französisch, Erdkunde, Politische Weltkunde –, aber genauso gut hätte man vorschlagen können, dass wir uns Senftransfusionen legen ließen oder uns gegenseitig ohne Betäubung irgendwelche Gliedmaßen amputierten. Nach einem vergleichsweise ruhigen ersten Abend – das Geschrei und die Musik aus den vorderen Zimmern verstummten bereits kurz nach Mitternacht – zeigte sich schon am Morgen des zweiten Tages, dass unsere Lehrer hier so überflüssig waren wie ein Konsum auf dem Mond. Beim Frühstück, zu dem die meisten Schüler verspätet bis überhaupt nicht eintrafen, versuchte Frau Erdt, die Planungen vorzustellen, schließlich hob sie sogar die Stimme und bat schreiend um Ruhe, doch ihre Lautmeldung ging
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