Sommerkind
ist vor zwei Jahren gestorben.”
“Das tut mir leid, Rory”, sagte Daria.
“Ja, mir auch”, pflichtete Chloe ihrer Schwester bei. “Polly war wirklich jemand Besonderes.”
“Mmmm, das war sie”, bekräftigte er.
“Ich habe von deiner Scheidung gelesen”, wechselte Daria das Thema.
Er lachte. Sein Leben war zur öffentlichen Angelegenheit geworden. “Tja, ich schätze, ich habe keine Geheimnisse mehr.”
“Das muss komisch sein.” Daria klang mitfühlend. “Aber die Nachrichten berichten immer nur von den Fakten. Herr Soundso hat sich scheiden lassen, Frau Soundso ist in der Psychiatrie gelandet. Doch sie sagen nie, wie sich Herr und Frau Soundso nach diesen Ereignissen fühlen.”
“Guter Aspekt”, sagte Rory. “Ich kann meine Gefühle ziemlich schnell zusammenfassen: Meine Eltern zu verlieren war eine Katastrophe – sie waren viel zu jung. Polly zu verlieren war noch schlimmer, wie ihr euch sicher denken könnt.”
“Das glaube ich”, sagte Daria.
“Meine Scheidung war … schwierig, aber auf lange Sicht die richtige Entscheidung. Und mein Sohn ist das Beste, was mir jemals passiert ist. Auch wenn er das noch nicht ganz einsieht.”
“Wer ist denn überhaupt Polly?”, fragte Shelly.
“Meine Schwester.”
“Und woran ist sie gestorben?”
“Sie hatte das Downsyndrom”, antwortete Rory. “Und das hat irgendwann ihr Herz in Mitleidenschaft gezogen.”
“Sie war eine so gute Seele”, sagte Daria. “Ich weiß noch, dass sie immer einen Sonnenbrand gekriegt hat. Jeden Sommer. Und egal, wie dick eure Mom sie auch eingecremt hat.”
“Das war typisch Polly”, stimmte Rory ihr zu. “Sie war ganz und gar kein Strandhäschen.” Er sah zu Chloe. “So, jetzt, da ihr alles über mich wisst, mal zu euch dreien. Chloe? Du warst doch immer die Schlaue in der Familie. Du bist schon zum College gegangen, als ich das Wort noch nicht einmal buchstabieren konnte. Wenn ich mich recht erinnere, hast du Geschichte studiert, oder? Du wolltest Lehrerin werden. Bist du jetzt eine?”
Die drei Frauen lachten, und er zog überrascht die Augenbrauen hoch. “Ich bin auf dem Holzweg, was?”
“Nein, eigentlich nicht”, erwiderte Chloe zögernd und verlegen. “Ich unterrichte Geschichte und Englisch an einer katholischen Schule in Georgia.”
Shelly kicherte. “Chloe ist eigentlich
Schwester
Chloe”, sagte sie.
“Schwester Chloe?”, wiederholte er irritiert.
“Ich bin Nonne”, klärte Chloe ihn auf.
“Oh!” Er konnte seine Überraschung nicht verbergen. Chloe Cato eine Nonne? Plötzlich kam ihm wieder ins Gedächtnis, wie religiös die Cato-Familie gewesen war. Mr. Cato hatte jeden Morgen die Frühmesse besucht. Er und seine Frau waren sehr streng gewesen und hatten von Daria, Chloe und Ellen stets verlangt, ins Haus zu kommen, sobald es dunkel wurde, während die anderen Kinder noch am Strand spielen durften. Trotzdem, das war kaum zu glauben. Chloes
Kopf
sagte ihr vielleicht, dass sie eine Nonne sei, aber ihr Körper und ihre Schönheit taten alles, um es zu leugnen. Er konnte sich noch genau erinnern, wie sie im Bikini ausgesehen hatte: große Brüste, schlanke Taille, schmale Hüften. Die Jungs am Strand waren ihr mit hängender Zunge nachgelaufen. Jeder hatte Chloe nach dem Babyfund sofort aus dem Kreise der Verdächtigen ausgeschlossen. Denn abgesehen von ihren Brüsten war alles an ihr notorisch dünn. Fast schon krankhaft. Jetzt war ihr Körper unter knielangen weiten Shorts und einem wallenden T-Shirt versteckt.
“Es hat ihm wohl die Sprache verschlagen”, sagte Daria lachend zu Chloe.
“Ich habe das nur … einfach nicht erwartet.” Er musste über sich selbst lachen. Das erklärte Chloes reservierte Begrüßung. “Und Nonnen bekommen den Sommer über frei? Bist du deshalb hier?”
“Im Sommer arbeite ich in St. Esther's, der katholischen Kirche in Nag's Head”, erklärte sie. “Das mache ich nun schon seit ein paar Jahren. Ich leite dort das Ferienprogramm für Kinder.”
“Jetzt traue ich mich ja kaum zu fragen, was du machst, Daria”, sagte er.
“Ich bin Tischlerin.”
Rory lachte. “Das hätte ich mir ja denken können. Stimmt das auch?”
“Ja, wirklich. Wahrscheinlich habe ich auch jetzt Sägespäne in den Haaren.”
“Ich habe mich schon gefragt, was das wohl ist. Ich dachte, vielleicht ein neuer Trend auf den Outer Banks.”
“Nein, nur ein Daria-Cato-Trend.” Shelly grinste.
“Ich habe gerade an einem Bücherregal für ein Cottage in
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