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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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ausgerechnet jetzt?” Grace schnürte es vor Wut die Kehle zu. “Warum muss jemand nach so langer Zeit darin herumwühlen …”
    “Ich weiß. Das ist der falsche Moment. Nicht, dass es je einen richtigen Moment dafür gäbe. Gracie, wie geht es dir sonst? Was sagt der Arzt?”
    Grace ignorierte die Frage. “Weißt du, wen ich hasse?”, fragte sie. “Wen ich aus tiefster Seele verachte? Selbst nach all den Jahren noch?”
    Bonnie zögerte kurz, ehe sie fragte: “Wen?”
    “Die Krankenschwester. Schwester Nancy. Diese Frau würde ich gern mal in die Finger kriegen.”
    “Ich weiß.” Bonnie sprach mit beruhigender Stimme. “Mir geht es genauso. Sieh mal, Grace, ich mache mir Sorgen um dich. Vielleicht hätte ich es dir nicht erzählen sollen. Aber ich wollte nicht, dass du es auf andere Art erfährst. Soll ich zu dir kommen? Vielleicht kann ich dir irgendwie helfen.”
    “Nein, nein. Es geht schon.”
    “Ich bin sicher, Eddie wäre gern für dich da, wenn du ihn nur lassen würdest. Aber er hat gesagt, du schließt ihn völlig aus.”
    “Er hat sich selbst ausgeschlossen”, sagte Grace, obwohl sie wusste, dass es nicht stimmte – und dass Bonnie das vermutlich auch wusste. Eddie
wäre
für sie da, doch zurzeit ertrug sie nicht einmal seinen Anblick. Aus dem Café hörte sie seine tiefe Stimme, die sie einst anziehend gefunden hatte. Er lachte mit einem Kunden.
Lachte.
Sie presste den Hörer fester ans Ohr, um das Geräusch auszublenden.
    Bonnie äußerte noch ein paar Worte der Anteilnahme, Worte des Trostes, doch Grace hörte sie kaum. Sie war zu sehr mit dem Gedanken an Rory Taylor beschäftigt, der auf der Jagd war nach Anhaltspunkten zum Schicksal dieses Findelkindes. Und als sie nach dem Gespräch den Hörer auf die Gabel legte, hatte sie bereits einen Plan.

7. KAPITEL
    A ls Daria in Andy Kramers Auffahrt einbog, versank die Sonne gerade in der Bucht.
    “Du hast hier wirklich einen herrlichen Ausblick, Andy”, sagte sie zu ihrem Kollegen. Wie sehr musste er dieses Schauspiel Abend für Abend genießen.
    “Ich weiß”, erwiderte Andy und öffnete die Autotür. “Ich bin ein Glückspilz. Wenn ich jetzt auch noch einen anständigen Wagen hätte …” Sein Van war mal wieder in der Werkstatt – schon zum dritten Mal in den letzten vier Monaten.
    Daria zeigte auf das Boot, das an dem Steg hinter Andys Cottage festgemacht war. “Ich wusste ja gar nicht, dass du ein Boot hast”, sagte sie. “Ist das neu?”
    Andy lachte, und sein Ohrring reflektierte die roséfarbenen Sonnenstrahlen. “Nagelneu”, gab er zurück, “aber es ist nicht meins. Ich teile mir den Steg mit meinen Nachbarn. Es gehört ihnen. Aber allein sein Anblick erhöht schon den Wert meines Häuschens.”
    Andys Nachbarn, ein Ehepaar und ein kleiner Junge, grillten gerade auf der seitlichen Dachterrasse ihres Hauses. Daria konnte das Steak bis zu ihrem Wagen riechen. “Na, ich hoffe, sie nehmen dich wenigstens mal mit”, sagte sie.
    “Ich auch.” Andy stieg aus und schloss die Tür. Dann beugte er sich hinunter und verabschiedete sich durchs Fenster. “Danke fürs Mitnehmen. Und angenehmes Verschrumpeln in der Badewanne heute Abend.”
    “Werd ich haben.” Sie setzte zurück und war mit den Gedanken bereits bei ihrem kleinen Whirlpool, in dem sie später mindestens eine halbe Stunde faulenzen wollte. Diese Badewanne war der einzige Luxus im Sea Shanty und nach einem Tag wie diesem einfach unverzichtbar.
    Sie und Andy hatten in einem großen Haus in Corolla den lieben langen Tag Bücherregale montiert – vom Fußboden bis zur Decke –, und jetzt schmerzten ihre Arme. Doch bevor sie ein Bad nehmen konnte, musste sie noch etwas erledigen.
    Nach anderthalb Meilen bog Daria in die Auffahrt des Sea Shanty ein. Doch anstatt in ihr Cottage ging sie über die Straße zum Poll-Rory.
    In Shorts und einem himmelblauen T-Shirt öffnete Rory die Tür und grinste sie so charmant an, dass ihre Entschlossenheit in ernsthafter Gefahr war. Sie durfte die Absicht ihres Besuchs unter keinen Umständen aus den Augen verlieren.
    “Komm rein, Nachbarin”, sagte er und stieß die Fliegengittertür auf.
    Im Wohnzimmer nahm Daria die Sonnenbrille ab. Während der letzten Jahre war sie häufiger im Poll-Rory gewesen, sodass die Einrichtung sie nicht überraschte. Aber Rory mussten die neuen Möbel verblüfft haben. Vom Mobiliar über die Wandpaneele bis zu den Bildern und den anderen Dekoartikeln – alles hatte das Immobilienbüro

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