Sommerkind
ständig Drachen.”
“
Pfarrer
Sean?”, fragte Zack erstaunt. “Ist das ein Priester?”
“Jepp”, antwortete Shelly.
“Ein Priester, der Drachen fliegt?” Zack konnte es nicht fassen.
“Ich hoffe, Pfarrer Macy kann besser fliegen als predigen”, sagte Ellen.
Shelly schien diese Beleidigung überhaupt nicht wahrzunehmen. “Er fliegt schon, solange ich denken kann”, sagte sie. “Und vor einigen Jahren hat er sogar einen Wettkampf gewonnen. Oder, Daria?” Sie sah ihre Schwester fragend an.
“Ja, das stimmt”, bestätigte Daria. “Er hat den Sommerwettbewerb gewonnen. Der findet jedes Jahr statt. Der nächste ist in wenigen Wochen, und ich wette, er ist auch wieder mit von der Partie.”
“Wenn Pfarrer Sean nicht gewesen wäre”, sagte Shelly, “würde ich heute nicht mit euch allen hier sitzen.”
Ellen lachte. “Nein. Dann wärst du vermutlich irgendwo bei einer netten, normalen, vielleicht sogar wohlhabenden Familie. Sieh nur, wo du stattdessen gelandet bist.”
“Ellen”, lenkte Ted ein. Sein dünnes Stimmchen passte nicht zu seiner Statur. “Shellys Familie ist doch wirklich klasse.”
“Wieso würdest du dann nicht hier sitzen?”, fragte Zack Shelly. “Was hat Pfarrer Sean oder Macy oder wie auch immer er heißt denn damit zu tun?”
“Sean Macy, der Pfarrer, hat meinen Eltern damals bei Shellys Adoption geholfen”, erklärte Daria. “Er hat in unseren Herzen einen ganz besonderen Platz.”
“Dad hat erzählt, dass Daria dich als Baby am Strand gefunden hat.” Wieder wandte sich Zack an Shelly.
“Stimmt. Aber ich kann mich daran nicht erinnern.”
Rorys Gedanken schweiften für einen Augenblick ab. Vielleicht sollte er sich einmal mit Sean Macy unterhalten, wenn der doch eine so wichtige Rolle bei Shellys Adoption gespielt hat. Natürlich wusste er nichts über Shellys Herkunft, aber es wäre dennoch interessant, etwas über seine Erinnerung an jene Zeit zu erfahren. Und es klang, als sei der Pfarrer ein umgänglicher Mensch.
Grace griff nach ihrem Wasserglas, und Rory bemerkte das Zittern ihrer Hand.
Er lehnte sich zu ihr hinüber und flüsterte: “Geht es dir nicht gut?”
“Doch, doch”, flüsterte sie zurück. Dann sah sie unvermittelt quer über den Tisch zu Shelly. “Hast du gesehen, was ich trage?”, fragte sie und berührte sich am Hals.
Rory beugte sich vor. Grace trug eine Kette aus Muscheln, vermutlich eine von Shelly. Er war überrascht. Davon hatte sie ihm gar nichts erzählt.
“Die habe ich gemacht”, sagte Shelly.
“Ja, ich habe sie bei Shell Seeker gekauft, dem kleinen Laden im Süden von Nag's Head. Wie hast du das bloß hingekriegt? Die Teile sind so winzig.”
“Ach, wenn man den Dreh einmal raushat, ist es ganz einfach. Sie steht dir gut.” Dann wandte sie sich plötzlich wieder Zack zu. “Hast du schon mal Krebse gefangen? Dein Vater und Daria haben es neulich gemacht. Anscheinend haben sie sich als Kinder mit nichts anderem beschäftigt.”
Rory war überzeugt, dass Shelly nicht unhöflich sein wollte, aber sie hatte Grace praktisch mitten im Satz abgewürgt. Er merkte, wie Grace an seiner Seite ganz still wurde. Unter dem Tisch nahm er ihre Hand und war erleichtert, dass sie ihn nicht zurückwies. Bisher war ihre Beziehung rein platonisch gewesen. Sie hatten sich mehrmals getroffen, jedoch nur tagsüber, weshalb es noch zu keiner körperlichen Annäherung gekommen war. Und auch bei ihren Telefonaten war Grace immer sehr sachlich. Sie wollte lieber planen als lange Gespräche führen. Und bislang hatte sie jeglichen Vorschlag seinerseits, sie in Rodanthe zu besuchen, mit der Begründung abgelehnt, sie komme lieber nach Kill Devil Hills. Er hatte den Eindruck, dass Grace stets auf Distanz zu ihm blieb – körperlich wie emotional. Als er ihre Hand nahm, war er auf Widerstand gefasst gewesen, und umso mehr freute es ihn, dass sie sich nicht wehrte.
Die Kellnerin räumte den Tisch ab und nahm ihre Dessertbestellungen auf. Grace bestellte nichts.
“Daria könnte dich bestimmt nach wie vor problemlos beim Schwimmen schlagen, nicht wahr?”, sagte Ellen zu Rory.
“Ich habe sie immer gewinnen lassen”, antwortete er trocken.
Daria lächelte ihn an. “Das schreit ja förmlich nach einem Rückkampf.”
“Mal sehen”, erwiderte er. Er hatte in der vergangenen Woche einmal mit ihr im Fitnessstudio trainiert und fürchtete, sie könnte ihn noch immer schlagen.
“Erinnerst du dich noch daran”, fuhr Ellen fort, “als Daria
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