Sommerkind
Aufpralls weggerissen worden, die Pilotin selbst war offensichtlich nicht bei Bewusstsein. Zuerst dachte Daria allerdings, ein Mann säße im Cockpit.
Alle
dachten sie das. Ein Mann, der vollkommen verdreht im Sitz saß, den Kopf nach vorn gebeugt, das lange dunkle Haar vor dem Gesicht. Daria war nicht sicher, ob er lebte.
Pete kämpfte mit dem Sicherheitsgurt des Piloten. “Ich kann seinen Puls fühlen”, rief er Daria und Andy über die Schulter zu. “Aber ich kriege ihn hier nicht raus. Los, wir kümmern uns zuerst um die Passagiere.”
Mit einem Werkzeug – ein Stemmeisen hätte schon gereicht – hätten sie die Fluggäste problemlos befreien können, da die Haut des Flugzeugs dünn und biegsam war. Doch sie hatten nur ihre bloßen Hände und die Ruder, und obwohl das Meer dort draußen ruhiger war, erschwerte das Schaukeln des Flugzeugs und der Boote die Arbeit erheblich.
Da tauchte auf einmal Shelly an der Seite des Bootes auf. Andy entdeckte sie als Erster. “Shelly!”, sagte er. “Was machst du hier draußen, du verrücktes Ding?”
“Komm ins Boot, Kleines”, forderte Daria ihre Schwester auf. “Du unterkühlst dich sonst.”
“Es geht mir gut”, erwiderte sie. Sie trat unaufhörlich Wasser, und ihre Haare wallten im Meer wie blasses Seegras. Zwar war das Wasser dunkel, doch konnte Daria sicher ausschließen, dass Treibstoff ausgelaufen war. Shelly war also nicht in Gefahr.
Pete schien Shelly kaum wahrzunehmen. Ist vielleicht auch besser so, dachte Daria. Er griff nach einem Ruder.
“Ziehen Sie den Kopf ein!”, rief er der Frau zu, die noch bei Bewusstsein war. “Ich schlage jetzt das Fenster ein!”
Die Frau kauerte sich zusammen und legte schützend die Arme über ihren Kopf. Sekunden später rammte Pete das Ruder in die Plexiglasscheibe. Sie zerbarst, und die Frau stieß einen schrillen Schrei aus, bevor sie zu schluchzen begann. Durch das scheibenlose Fenster sah Daria, dass sich das Flugzeuginnere mit Wasser füllte.
“Wir rudern auf die andere Seite”, sagte einer der anderen Helfer. Drüben angelangt, schlugen sie auch dort die Scheibe ein. Pete schaffte es, die wimmernde Frau durch das Fenster ins Boot zu ziehen, und die Männer auf der anderen Seite holten die bewusstlose Frau zu sich an Bord.
“Sie ist schwer verletzt”, rief einer von ihnen. “Und den Schwimmkörper hier hat's erwischt. Der auf eurer Seite ist das Einzige, was diese Blechbüchse noch über Wasser hält.”
“Bringt sie rüber”, schrie Daria. Im selben Moment hörte sie Sirenen und drehte sich um. Am Strand stand ein Rettungswagen, das Blaulicht noch eingeschaltet. Es kam ihr unendlich weit weg vor.
Die Frau in ihrem Boot stand unter Schock. “Die Pilotin ist ohnmächtig geworden, glaube ich”, stammelte sie. “Wir sind einfach abgestürzt, und sie hat nichts dagegen getan.”
“
Sie?”
, fragte Daria und sah sich den Flugzeugführer noch einmal genauer an. Lange Haare, schlanker Körperbau. Es handelte sich tatsächlich um eine Frau.
Das zweite Boot hatte sich wieder zu ihnen gesellt, doch es war in der Dunkelheit kaum zu erkennen.
“Ich gehe besser in das andere Boot zu der verletzten Frau”, sagte Daria zu Pete.
“Nein, bleib hier”, entgegnete er. “Hilf mir mit der Pilotin. Die Rettungswagen sind jetzt am Strand.” Er wandte sich an die Männer im anderen Boot. “Ihr nehmt die zwei Ladies mit, okay?”, rief er. “Und bringt uns ein Messer oder so was, damit wir den Sicherheitsgurt durchschneiden können.”
Eigentlich war Daria die Gruppenführerin, die die Kommandos gab. Aber das hier war kein offizieller Einsatz, und so befolgte sie Petes Anweisungen ohne Murren. Sie half Pete und Andy, die verstörte Frau sicher in das andere Boot zu setzen, und als die zwei Männer mit den Verletzten in Richtung Strand ruderten, richteten die drei ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Pilotin.
Daria streckte einen Arm ins Flugzeug, um an der Halsschlagader der jungen Frau den Puls zu fühlen.
“Lebt sie?”, fragte Shelly vom Wasser aus.
“Ja.” Der Puls ging zwar schnell, war aber kräftig. Plötzlich ließ die Frau den Kopf nach hinten gegen den Sitz fallen und öffnete die Augen. Im Nu sah man ihr die Panik an.
“Bleib ganz ruhig”, sprach Daria auf sie ein. Sie erschrak, als sie erkannte, wie jung die Pilotin war – höchstens achtzehn oder neunzehn. Sie hatte einen herzförmigen Haaransatz, der die Schönheit ihres Gesichts nur noch unterstrich. Wie die bewusstlose
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