Sommerkuesse
»Also, wenn das nicht cool ist.« Sie zeigt auf den Ring, der sich langsam verflüchtigt. »Ich hab eine Ewigkeit gebraucht, bis ich das draufhatte.«
»Das hat mir am ›Herr der Ringe‹ immer am besten gefallen«, sage ich. »Meint ihr, Tolkien konnte auch Rauchringe blasen?«
»Na, aber garantiert. Diese Typen haben damals doch alle geraucht wie die Schlote«, sagt Battle.
»Und dann die Drogen erst! Vergiss die Drogen nicht! Opium, Laudanum und … äh … noch irgendwas, das auch auf ›um‹ endet! Die haben das doch alle ausprobiert!«, sagt Katrina, nimmt einen besonders tiefen Zug von der Zigarette und bläst einen zweiten, noch größeren Rauchring.
»Ich kann mir den Mann, der sich Bilbo Beutlin ausgedacht hat, nicht in einer Opiumhöhle vorstellen«, sage ich. »Was ist mit euch?«
»Tolkien in einer Opiumhöhle? Aber sicher! Der Typ war Schriftsteller! Alle Schriftsteller sind ganz wild darauf, neue Erfahrungen zu machen.« Katrina nimmt einen letzten Zug von ihrer Zigarette und lässt sie dann in eine auf dem Fensterbrett stehende Coladose fallen, in der sie zischend verlöscht.
»So. Die ist aus, Battle. Bist du jetzt glücklich?«
»Erst wenn du ganz aufhörst.«
»Äh, eigentlich meinte ich mit meiner Frage vorhin, ob ihr auch schon mal irgendwelche Drogen ausprobiert habt.« Eine ziemlich blöde Frage, zugegeben, aber das ist mir egal. Ich bin einfach neugierig.
»Ich hab nichts mehr gekifft, seit wir in der Pampa wohnen. Ich kenne in Santa Fe niemanden, der was verkauft. Aber das Gute ist, dass man dort viel leichter an Alkohol rankommt.« Katrina reckt den Daumen in die Höhe.
»Rauchen ist in jeder Form widerlich – egal was man raucht«, sagt Battle mit missmutigem Blick in Richtung Katrina. »Ich hab natürlich schon Leute erlebt, die total dicht waren, aber nur auf den Partys von unserer Tanz-AG. Und du?« Battle dreht sich zu mir um.
Seit sie keine Haare mehr hat, fallen ihre Augen noch mehr auf. Jetzt ist sie das Mädchen Schönauge. Nein, sie ist durch und durch schön. »Auch nur auf Partys«, sage ich und versuche, ihr nicht zu lange in die Augen zu sehen.
»Was sollte die Frage, Nic? Bist du auf Turkey, oder was? Ich hab zwar nichts hier, aber ich wette, wir könnten locker was zu rauchen auftreiben. Kevin kifft doch sicher und hat was mit, meint ihr nicht? Wir könnten ihn anrufen. Soll ich, ja?« Katrina zeigt mit einer schwungvollen Geste einer Spielshow-Assistentin auf das Telefon neben dem PC.
»Bloß nicht. Der muss morgen eine Klausur schreiben«, wehrt Battle ab.
Ach – woher weiß sie das denn?
In Wirklichkeit hab ich noch nie gekifft. Ich saß bloß schon auf Partys neben Kiffern. Wie Battle. Ich weiß nicht, ob die Wirkung von Dope mit der von Alkohol vergleichbar ist. Also, ob man dann z. B. Sachen sagt, die man in nüchternem Zustand niemals sagen würde, aber so ähnlich wird es schon sein. Und das würde ich im Moment lieber vermeiden.
»Ach, das würde dem nichts ausmachen. Bestimmt nicht.«
Ich lasse meinen Blick suchend durchs Zimmer wandern,
bis ich endlich das blaue Leuchten des kleinen Digitalweckers entdecke, der halb vergraben unter einem Ballettröckchen aus orangem Tüll liegt. Halb zwei. Ich zeige auf den Wecker und schüttele den Kopf. »Volleyball«, sage ich nur.
Battle nickt. »Wir sollten wirklich ins Bett.«
Katrina seufzt. »Ihr habt echt keinen Sinn für Dekadenz. Aber so was von überhaupt keinen.«
4. Juli, 9:30 Uhr, Sportplatz
Letzte Nacht habe ich geträumt, ich würde mit dem abgeschnittenen Zopf als Waffe gegen Battles Mutter kämpfen, um Battle zu schützen. Deutlicher geht es ja wohl nicht mehr. Sigmund Freud lässt grüßen.
Wenn ich schon von dem Mädchen träume, in das ich verknallt bin, könnte ich es ja wenigstens so hinbiegen, dass ich sie im Traum küsse. Aber falls wir uns geküsst haben sollten, kann ich mich nicht mehr daran erinnern.
Trotzdem bin ich merkwürdig gut gelaunt – richtig katrinamäßig aufgekratzt. Vielleicht liegt es daran, dass die Sonne scheint und der Himmel besonders blau ist. Oder ich habe immer noch zu viel Zucker und Koffein von gestern Abend im Blut.
Als ich zum Sportplatz komme, ist von den anderen noch keiner zu sehen, was mich nicht besonders wundert. Ich lasse mir einen Ball geben, suche uns ein Spielfeld am Rand aus – da besteht weniger Gefahr, versehentlich andere Leute abzuschießen – und warte. Ziemlich bald taucht Isaac auf.
»Wie geht’s?«, frage ich und dresche
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