Sommerkuesse
höre ich das Sopransolo. » Dulcissime «, singt die Sängerin. » Totam tibi subdo me. « Du Süßeste. Ganz dir ergebe ich mich.
10. Juli, 21:30 Uhr, in meinem Zimmer
feldbeobachtungen:
betrachten wir die angelegenheit mal ganz nüchtern und sachlich: küssen ist feuchter und weicher, als ich es mir mit meinem in liebesromanen angelesenen wissen vorgestellt hätte, und längst nicht so aufregend. obwohl, im nachhinein ist es eigentlich schon aufregend… ich weiß nicht, ich kann es einfach nicht erklären. so ein »zungenkuss« (ich hasse das wort) ist jedenfalls genauso schön, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. »weiter« sind wir nicht gegangen. am meisten angst macht mir jetzt der nächste folgerichtige schritt – am liebsten möchte ich auf der jetzigen stufe stehen bleiben, fürs erste jedenfalls. natürlich weiß ich, dass ich mir irgendwann die große frage stellen muss, aber darüber will ich erst nachdenken, wenn ein bisschen zeit vergangen ist und sich »das« mit uns etwas entwickelt hat. diese letzte brücke können wir dann immer noch hinter uns abbrechen.
reaktionen der anderen:
kevin: hat, glaub ich, gar nicht gemerkt, dass sich zwischen mir und battle was geändert hat. ich nenne ihn seit neuestem nur noch »blindfisch«. er fragt battle die ganze zeit, ob er ihr über den kopf streicheln darf, und sie lässt ihn. es scheint sie gar nicht zu nerven. mich schon irgendwie. isaac: hat sich super verhalten, obwohl er total neidisch ist, weil er noch nichts unternommen hat, um sich an katrina ranzumachen. er ist vielleicht eher eine spur zu begeistert darüber, mit »zwei lesben« befreundet zu sein. als ich ihm gesagt hab,
dass ich mich eher für bi halte, weil ich mich ja auch schon für jungs interessiert hab, hat er gelacht und gesagt: »klar, damals war dein motto ja auch noch: ›lieber bi als nie‹.« [»bisexuell«. »bi«. eigentlich komische wörter. was ist mit bi-sons und bi-samratten, sind die auch bi?] katrina: ich weiß ehrlich gesagt nicht so genau, was sie von der ganzen sache hält. manchmal ist sie supernett und dann wieder richtig bissig und fies, ohne dass ich weiß, wieso. vielleicht fühlt sie sich ausgeschlossen? ich fände es nicht schlecht, wenn sich isaac endlich an sie rantrauen würde. ich glaub, er weiß nur nicht, wie er den anfang machen soll.
ideen:
1. er könnte so tun, als wäre sein pc wieder kaputt, und dafür sorgen, dass diesmal niemand anderes in der nähe ist, den sie mitschleppen könnte.
2. sie fragen, zu wem er ziehen soll. k. ist begeistert, wenn jemand ihren rat sucht.
3. (ungesund, könnte aber funktionieren): sie nach einer zigarette fragen und bitten, ihm beizubringen, wie man richtig raucht.
4. richtig schlimme kopfschmerzen kriegen (bei mir hat’s funktioniert!).
5. ihr einfach gestehen, dass er in sie verliebt ist (total unrealistisch).
feldbeobachtungen:
jetzt auf einmal verstehe ich diese sache mit der körpersprache. wenn battle glücklich ist, kann sie ihren körper nicht ruhig
halten. sie bewegt ihre arme wie eine hula- oder bauchtänzerin, nur dass sie sich dazu nicht so in den hüften wiegt. und sie bekommt einen beschwingten gang – der aber nicht nach »seht her, wie sexy ich bin«-arschwackeln aussieht (obwohl sie sexy ist), sondern so, als würde sie innerlich total schöne musik hören und sich dem rhythmus anpassen. ich glaub, sie könnte sich gar nicht ungelenk bewegen, selbst wenn sie es versuchen würde.
und was das allerkomischste ist: wenn ich neben ihr hergehe, fühle ich mich nicht mehr wie ein plumpes trampeltier, für das »körperbeherrschung« ein absolutes fremdwort ist, sondern… ja, irgendwie ist es, als könnte ich ihre musik auch hören.
13. Juli, 17:00 Uhr, in dem großen Baum unten im Hof
»Der Baum hier erinnert mich an den Indianerbaum.«
Battle, die auf einem niedrigeren Ast unter mir sitzt, blinzelt zu mir herauf. »Indianerbaum?«
»Ja, das ist so ein riesiger, abgestorbener Baum bei uns zu Hause – er ist schon tot, seit ich denken kann. Die ganze Rinde ist weg, sodass der Stamm wie poliert aussieht, wie die Oberfläche von einem Möbelstück. Ich bin früher immer mit Jamie darin rumgeklettert – mit James , meine ich.«
»So wie du seinen Namen betonst, kann der Typ nicht so toll sein. Wer ist es? Ein Ex?«
»Ich hab keinen Ex. Du bist meine erste … also, nein. Kein
Ex. Als James noch Jamie hieß, waren wir beide klein, und er war mein bester Freund. Wir haben
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