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Sommerkuesse

Titel: Sommerkuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Ryan
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schwanger ! Du musst sofort das Fernsehen anrufen. Die erste lesbische Empfängnis ohne künstliche Befruchtung!« Katrina lacht sich halb tot.
    Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Wieso bist du eigentlich so versessen darauf, uns als Lesben zu titulieren? Ich war auch schon in Jungs verliebt. Und wahrscheinlich werde ich mich auch wieder in welche verlieben, also wäre ›bisexuell‹ wohl die passendere Bezeichnung – wenn du mich schon unbedingt in eine Schublade packen willst.«
    »Warum bist du so versessen darauf, nicht lesbisch zu sein? Ich glaube, der passendere Ausdruck lautet in deinem Fall eher ›Verdrängung‹.«
    Ich seufze. Ich weiß nicht, was ich bin. Ich will einfach nur zu Battle. Aber es hilft mir auch nicht weiter, mich mit Katrina zu streiten. »Entschuldige, dass ich dich belästigt hab, Katrina. Setz dich wieder an deinen Computer.«
    Sie verwandelt sich schlagartig wieder in das personifizierte Mitgefühl. »Hey, kein Problem, du kannst mich gerne jederzeit belästigen, auch wenn ich mich wie eine blöde Zicke aufführe.« Und dann singt sie grässlich falsch: »Cause that’s what frie-hends are fooooor.«
    »Danke.«
    Ich bin der undankbarste Mensch im gesamten Kosmos. Die beiden sind wirklich meine Freunde – die besten, die ich je hatte. Sogar bessere als Jamie, bevor er zu James wurde. Und selbst das ist mir jetzt nicht mehr genug.
    Ich schlurfe in mein Zimmer zurück.
    Als ich die Tür aufschließe, fällt mir plötzlich ein, dass ich meine Bratsche nicht mehr angerührt habe, seit ich damals
für Battle gespielt habe. Ich mache die Tür zu und knie mich vor mein Bett, als wollte ich ein Gutenachtgebet sprechen. Stattdessen ziehe ich den Bratschenkasten hervor, lasse die Schlösser aufschnappen und klappe ihn auf. Ich mag den blauen Samt nicht, mit dem er ausgeschlagen ist. Als würde meine Bratsche ein Ballkleid tragen.
    Es dauert wieder Ewigkeiten, das verdammte Ding zu stimmen. Liegt an der hohen Luftfeuchtigkeit.
    Eigentlich sollte ich mich wohl mit ein paar Tonleitern oder leichten Etüden einspielen, aber schließlich will ich nicht üben – ich will meinen Kopf beschäftigen, damit er nicht die ganze Zeit darüber nachdenkt, warum Battle mich fortgeschickt hat.
    Es gibt ein Stück, das ich eigentlich immer spiele, wenn ich traurig bin. Es ist ein langsamer Satz aus der Teufelstrillersonate von Tartini in einer Transkription für die Bratsche. Die schnellen Partien kriege ich ums Verrecken nicht hin, aber dieser langsame Satz besteht größtenteils aus Doppelgriffen, Vibrati und Kettentrillern. Wenn Mom hört, dass ich das Stück spiele, klopft sie jedes Mal bei mir an und fragt, ob alles in Ordnung ist.
    Heute wird niemand anklopfen.
    Ich bin keine richtige Musikerin, kein verdammter Kevin, kein genialer Komponistengott. »Organized Chaos.« O Mann. Ich kann mir schon vorstellen, von wem er sich sein Chaos gern organisieren lassen würde.
    Vielleicht will sie es auch.
    Hör auf. Konzentrier dich auf das verdammte Stück.
    Manchmal passiert etwas mit mir, wenn ich spiele. Ich kann es nur so erklären: Irgendwie versinke ich noch tiefer in
dem, was ich in diesem Moment fühle, und dann, auf einmal, ist es nicht mehr so wichtig, was ich fühle, sondern was mein Gefühl und die Musik zusammen Neues ergeben.
    Ich spanne den Bogen und streiche ihn mit Kolofonium ein. Die gleichförmige Bewegung ist irgendwie tröstlich. Nach einer Weile wickle ich das Kolophonium wieder in den Lappen und lege es in den Kasten zurück.
    Als Nächstes nehme ich die Bratsche heraus und fummle eine Weile an der Schulterstütze herum, bis sie bequem aufliegt. Dann endlich nehme ich den Bogen wieder in die Hand und klemme mir die Bratsche unters Kinn.
    Es ist ein schönes Gefühl, die Fingerspitzen auf die dicken Saiten zu legen. Ein bisschen tut es auch weh. Meine Finger sind weich geworden. Und manche Töne klingen schräger, als Tartini sie je beabsichtigt hatte.
    Jemand hämmert wütend gegen die Wand.
    Ach, stimmt ja. Es ist ganz schön spät.
    Aber ich habe keine Lust, Rücksicht zu nehmen, und spiele, bis meine Finger wund sind und mir der Nacken wehtut. Dann lege ich die Bratsche beiseite und beginne, an der Puppe zu arbeiten.

21. Juli (unser Zweiwöchiges), 19:56 Uhr, bei Battle
    »Ich hab ein Geschenk für dich – hoffentlich gefällt es dir überhaupt. Es ist selbst gebastelt, aber mit etwas, das von dir stammt …«
    »Was ist es denn? Eine Voodoo-Puppe?« Battle kichert.
    »Quatsch!

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