Sommerkuesse
Zigarettenkippen und Sand. Die anderen sind schlimmer. Die hebe ich mir bis zuletzt auf. Ich rechne fest damit, benutzte Kondome oder noch ekelhafteres Zeug darin zu finden. Der Inhalt jeder einzelnen Probe muss detailliert aufgelistet und beschrieben werden.
Isaac und Katrina beobachten mich beim Arbeiten und sind anscheinend total fasziniert – vielleicht wollen sie sich aber auch nur vor ihren eigenen Hausaufgaben drücken.
»Bitteschön – da hast du noch eine«, sagt Katrina und hält
mirdie Kippe der Zigarette hin, die sie gerade fertig geraucht hat.
»Die brauch ich nicht! Das würde nur meine ganzen mühsam erhobenen Befunde durcheinander bringen!« Ich lege ordentlich eine ausgedrückte Marlboro neben eine exakt identisch aussehende Kippe. Beide Filter sind mit derselben Lippenstiftfarbe verschmiert – Zufall? »Schaut euch das an«, sage ich. »Frauen, die Marlboro rauchen, bevorzugen offenbar auch denselben knallroten Lippenstift.«
»O Gott, Baby! Wegen dir wird Sherlock Holmes garantiert nicht arbeitslos – die sind doch eindeutig von derselben Frau geraucht worden«, sagt Katrina milde. »Schau – an dem einen Filter ist der Lippenstiftabdruck eindeutig schwächer, weil der größte Teil schon am anderen klebt.«
»Oder der Lippenstift war schon fast weg, als sie die erste geraucht hat, und sie hat sich neu geschminkt, bevor sie sich die zweite angezündet hat. Daran hast du wohl nicht gedacht, was?«, sagt Isaac.
»Wieso seid ihr überhaupt so sicher, dass es eine Frau war? Es gibt auch Männer, die Lippenstift benutzen«, sage ich und denke dabei an den Röcke tragenden Typen.
Isaac hat sich einen meiner Plastikbeutel geschnappt und albert damit herum. Er hält ihn in die Höhe. »Beweisstück A«, sagt er mit der Stimme eines Fernsehkommissars. »Wir können wohl mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, Ms Landsdale, dass es sich bei unserem Mörder um einen kettenrauchenden Transvestiten handelt.«
»O, Scheiße!«, stößt Katrina hervor. Irgendwie eine komische Reaktion auf Isaacs Witz. Ich gucke erstaunt von meinem Ringbuch auf. Und da sehe ich sie. Battle.
Und Kevin.
Sie halten sich an den Händen und Battle lacht.
»Gib her!«, fahre ich Isaac an. Er blinzelt und gibt mir dann hastig den Plastikbeutel zurück. Ich raffe alle übrigen Beutel vom Boden auf.
Dann renne ich los, quer über den Innenhof. Nur weg. Obwohl mir irgendwann die Luft ausgeht und mir die Tränen runterlaufen, bleibe ich erst stehen, als ich unten am Fluss bin.
Ich hätte die ganzen Müllbeutel aufreißen und über ihren Köpfen ausleeren sollen.
Katrina ist seit Stunden dabei, alles nach Strich und Faden durchzuanalysieren. Ich habe sie gezwungen, stundenlang mit mir in meinem Zimmer auszuharren, bis das Abendessen fast vorbei war, bevor wir schließlich in die Mensa sind. Alles, damit wir den beiden nicht über den Weg laufen müssen.
»Vielleicht haben sie sich auch einfach nur an den Händen gehalten, weil sie sich mögen«, sagt sie. »So was gibt’s, weißt du. Und das muss nicht heißen, dass die Welt zusammenbricht.«
Ich nehme mit den Fingerspitzen ein loses Haar auf, das auf der Tischplatte liegt.
»Siehst du das?«, frage ich.
»Ja«, sagt sie.
»Weißt du, was das ist?«
»Na ja, ein Haar.«
»Genau – und zwar das Haar, an dem du deine Erklärungen herbeiziehst!«
Ich beiße von meinem Pizzastück ab. Sofort füllt sich mein Mund mit öligem Fett. »Ich glaub, mir wird schlecht«, murmle ich und spucke den Bissen in meine Serviette.
»Tja, Baby … wenn das so ist, dann solltest du mit jemandem darüber sprechen, und das bin unter Garantie nicht ich«, sagt Katrina.
»Sondern?«, frage ich. »Der Koch?«
Katrina seufzt. »Nein, nicht der Koch. Unsere Freundin Battle. Vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass alles angefangen hat, als ihr aufgehört habt, miteinander zu sprechen. Und dann ist da noch die unbedeutende Tatsache, dass du mir bis jetzt noch nicht erzählt hast, was überhaupt hinter der ganzen Geschichte steckt, und solange du mir nicht sagen willst, was genau los ist, kann ich dir sowieso nur begrenzt helfen.«
»Katrina … ich kann nicht. Wenn du es wirklich wissen willst – und mir wär’s viel lieber, wenn du es wüsstest, glaub mir -, musst du Battle schon selbst fragen. Es wäre nämlich der totale Vertrauensbruch, wenn ich dir alles erzählen würde.«
Ein Vertrauensbruch wie der, den ich bereits begangen habe, indem ich mir in einer eigenen
Weitere Kostenlose Bücher