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Sommerkussverkauf

Sommerkussverkauf

Titel: Sommerkussverkauf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Mansell
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wieder?«
    »Besuch, meine Liebe! Hier sind wir schon, freuen Sie sich auf eine Überraschung!«
    Und es war in der Tat eine Überraschung. Die Tür glitt auf und offenbarte Den seiner Mutter. Pauline saß im Bett wie ein verblasster, vergilbter Schatten ihrer Selbst, eingewickelt in eine cremefarbene Strickjacke, das feine, graue Haar zu einem lockeren Knoten gebunden.
    Sie war erst achtundsechzig; das war nicht so furchtbar alt, dachte Kerr. Aber sie sah gute zwanzig Jahre älter aus.
    Er blieb mit Esme zurück, damit Pauline schweigend Den anstarren konnte. Wenigstens schien seine Mutter an diesem Tag noch nichts getrunken zu haben.
    Schließlich sagte Pauline: »O Den …« In ihrer Stimme lag ein Zittern, das offenbarte, wie viel ihr dieser Augenblick bedeutete.
    Im Gegensatz dazu blieb Dens Gesicht vollkommen ausdruckslos. »Hallo.«
    Zornig dachte Kerr, dass Den eigentlich den Anstand besitzen sollte, wenigstens so zu tun, als ob er sich freue, seine Mutter zu sehen. Kerr beschloss, sie allein zu lassen. Vielleicht störte auch Esmes Anwesenheit. Er legte seine Hand auf ihren Ellbogen und murmelte: »Ich glaube, die beiden wären lieber allein.« Er sah, wie sich Dens Schultern verkrampften.
    »Nein«, rief Pauline und schüttelte den Kopf. »Sie kann gehen, aber ich möchte, dass du bleibst.«
    »Ich will nicht …«
    »Du bleibst«, sagte Pauline mit fester Stimme. »Es ist wichtig.«
    Nachdem Esme den Raum verlassen hatte, breitete sich Schweigen aus. Kerr lehnte mit verschränkten Armen an der Wand. Den starrte aus dem Fenster wie ein trotziger Viertklässler, der in das Büro des Direktors gerufen wurde. Sollte Pauline gehofft haben, dass der Sohn, der ihr Leben so gut wie zerstört hatte, sie umarmen würde, dann erlebte sie eine bittere Enttäuschung.
    Schließlich ergriff Pauline das Wort. »Wie konnte Kerr dich überreden, zurückzukommen?«
    Den zuckte die Achseln. »Er hat mir gesagt, es … ginge dir nicht gut.«
    »Dass es mir nicht gut geht? Nun, so kann man es auch formulieren.« Pauline glättete zitternd die Daunendecke über ihrem Schoß.
    »Dass du stirbst«, sagte Den plump.
    »Das entspricht schon eher der Wahrheit. Ich stehe kurz vor dem Abgang. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit.« Sie sah an Den vorbei zu Kerr. »Hast du mir etwas mitgebracht?«
    »Ich habe Den gebracht«, stellte Kerr klar.
    Seine Mutter griff nach einem Taschentuch und wischte sich über die Handflächen. »Eine Flasche Jack Daniels würde das hier einfacher machen.« Sie sah zu Den. »Und? Wie ist es dir ergangen?«
    »Was glaubst du wohl, wie es mir ergangen ist?« Den stieß seine Hände tiefer in die Hosentaschen und starrte sie an. »Ich war im Gefängnis. Habe meine Zeit abgesessen. Bin entlassen worden, habe das Land verlassen, bin nach Australien gegangen, wo niemand wusste, was ich getan hatte. Dennoch konnte ich es irgendwie nie ganz hinter mir lassen. Aber was soll’s, oder? Ich bin jung, gesund, das Leben geht weiter. Es gibt viele Menschen, denen es weitaus schlechter geht als mir. Ich muss mich nur zusammenreißen, mich neu sortieren …«
    »Den, hör auf.« Pauline schüttelte gequält den Kopf.
    »Warum denn? Du hast dich erkundigt, wie es mir geht. Ich sage dir, wie es mir geht.«
    »Es tut mir leid.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, sie knüllte das Taschentuch in ihren Händen. »Es tut mir so leid. Darum musste ich dich noch einmal sehen, um dir zu sagen, wie leid es mir tut.« Ihre Finger zitterten, als sie ihre Handflächen rieb. »Hast du es deinem Bruder gesagt?«
    Kerr richtete sich auf. Was sollte Den ihm gesagt haben?
    »Ich habe es keiner Menschenseele erzählt«, erklärte Den heftig. »Du hast mir ein Versprechen abgenommen, erinnerst du dich?«
    Was? Worum ging es hier? Kerr sah von einem zum anderen.
    »Stimmt, stimmt. Natürlich hast du es niemand gesagt, also werde ich es tun.« Pauline nickte müde, die Falten in ihrem Gesicht traten stärker hervor denn je. »Ich bin es gewesen«, sagte sie zu Kerr. »Ich habe den Wagen an jenem Tag gefahren. Ich war diejenige, die das Mädchen getötet hat, nicht Den.«

55 . Kapitel
    Das einzige Geräusch im Raum war das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims, eine Messinguhr, an die Kerr sich aus seiner Kindheit erinnerte.
    »Du solltest dein Gesicht sehen, Kerr«, sagte Pauline McKinnon. »Aus diesem Grund habe ich es dir nie erzählt. Mein Gott, ich dachte, man fühlt sich nach einem Geständnis auf dem Totenbett besser. Jetzt brauche

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