Sommerliches Schloßgewitter
sonst ein großer Sonnenfreund war, vermochte sich nicht daran zu erfreuen. Mit kummervollem Gesicht saß er da, den Kneifer schräg auf der Nase und das Hemd halb aus der Hose hängend, und blickte starr vor sich hin. Er sah aus wie eine Trophäe, die man zum Ausstopfen hergerichtet hat.
Ein neunmalkluger Moralist hätte angesichts von Lord Emsworths Seelenqualen sicherlich gesagt, es sei offenbar eine zweischneidige Sache, ein Peer mit großem Privatbesitz und einer guten Verdauung zu sein. Wohlleben, so hätte er hinzugefügt, zehre nun einmal an den Kräften, während es auf dieser Welt, die so voller Schrecknisse und Ungewißheit ist und in der einem jederzeit etwas auf den Kopf fallen kann, auf nichts so sehr ankomme wie auf Kraft und Nervenstärke.
Wenn dem Durchschnittsmenschen eine Katastrophe zustößt, dann trifft sie ihn nicht unvorbereitet. Wie oft hat er schließlich in all den Jahren den Acht-Uhr-fünfundvierzig verpaßt, den Hund bei Wind und Wetter Gassi führen müssen, sich mit qualmenden Kaminen abgequält und beim Frühstück ein übers andere Mal festgestellt, daß die Spiegeleier schon wieder angebrannt waren! Das alles hat seine Seele widerstandsfähig gemacht, und wenn deshalb die Verwandten seiner Frau für einen längeren Besuch eintreffen, ist er gewappnet.
Lord Emsworth war ein solches Überlebenstraining nicht zuteil geworden, hatte doch das Schicksal sich nur immer wieder Neues einfallen lassen, um ihn zu verwöhnen. Er hatte einen guten Appetit, schlief bestens und hatte keine Geldsorgen. Seine Rosen waren die schönsten in ganz Shropshire. Für seine Kürbisse hatte er auf der Landwirtschaftsausstellung dieser Grafschaft den ersten Preis erhalten – etwas, das noch keinem Earl von Emsworth je gelungen war. Und erst kürzlich hatte sein jüngerer Sohn Frederick die Tochter eines amerikanischen Millionärs geheiratet, so daß ihn jetzt dreitausend Meilen und eine Menge tiefen Wassers von Blandings Castle trennten. Lord Emsworth hatte sich deshalb immer für Fortunas Liebling gehalten.
Darf es uns da überraschen, daß er sich nach diesem unerwarteten, heimtückisch aus dem Hinterhalt geführten Schicksalsschlag wie zerschmettert und ausgebeint vorkam? Ist es ein Wunder, daß der Sonnenschein für ihn keinen Reiz besaß? Ist es nicht verständlich, daß er dasaß und an dem Kloß in seinem Hals schluckte wie ein Vogel Strauß an einem Türknauf?
Die Antworten lauten in der Reihenfolge der Fragen: nein, nein und ja.
Die Tür zur Bibliothek öffnete sich und gab den Blick frei auf die adrette Gestalt seines Bruders Galahad. Lord Emsworth rückte sein Pincenez zurecht und sah ihn mit gemischten Gefühlen an. Er kannte des Ehrenwerten Galahad Hang zur Despektierlichkeit und sein mangelndes Interesse am redlichen Trachten nach Mastschwein-Lorbeeren, und daher befürchtete er, daß jener nun geschmacklose Scherze über den schmerzlichen Verlust machen könnte. Dann aber glättete Erleichterung seine Züge. Nicht Frivolität trug sein Bruder zur Schau, sondern eine ernste Miene, wie sie ihm gut zu Gesicht stand. Der Ehrenwerte Galahad nahm Platz, zog seine Bügelfalten gerade, räusperte sich und sprach dann ebenso takt- wie teilnahmsvoll.
»Wirklich dumme Sache das, Clarence.«
»Furchtbar, mein Lieber, furchtbar.«
»Was gedenkst du zu unternehmen?«
Lord Emsworth zuckte ratlos die Schultern, wie er es immer tat, wenn man ihn fragte, was er zu tun gedenke.
»Keine Ahnung«, gestand er. »Ich weiß nicht mehr weiter. Was ich vom jungen Carmody gehört habe, hat meine sämtlichen Pläne über den Haufen geworfen.«
»Carmody?«
»Ich hatte ihn nach London geschickt, um die Detektei Argus mit der Sache zu beauftragen. Sir Gregory Parsloe hat diese Firma früher einmal erwähnt, als wir noch miteinander sprachen. Er sagte damals – reichlich verschwörerisch –, wenn ich mal in Schwierigkeiten wäre und diskrete Hilfe von einem Fachmann brauchte, dann sollte ich mich dorthin wenden. Anscheinend sind sie einmal in einer Sache, über die er sich nicht näher äußern wollte, zu seiner vollsten Zufriedenheit für ihn tätig geworden.«
»Parsloe!« sagte der Ehrenwerte Galahad abschätzig.
»Deshalb habe ich den jungen Carmody nach London geschickt, um sie in die Suche nach der Kaiserin einzuschalten. Und jetzt sagt er mir, daß dabei nichts herausgekommen sei. Sie haben es entschieden abgelehnt, nach vermißten Schweinen zu fahnden.«
»Um so besser.«
»Wie meinst du
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