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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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als Belastung seiner durch den Sprung ohnehin strapazierten Nerven. Schon immer hatte er Lord Emsworth dann am wenigsten gemocht, wenn dieser ihn mit offenem Mund wie ein verblüffter Heilbutt ansah.
    »Ich habe das Gleichgewicht verloren«, sagte er kurz.
    »Gleichgewicht verloren?«
    »Ich bin ausgerutscht.«
    »Ausgerutscht?«
    »Ja, ausgerutscht.«
    »Wie? Wo?«
    Wie Baxter nun bemerkte, hatte ein gütiges Geschick es so gefügt, daß das Fenster der Kleinen Bibliothek nicht das einzige war, das auf den Schauplatz seiner Akrobatik hinausging. Sein Absprung hätte genauso gut von der daneben gelegenen Großen Bibliothek aus erfolgt sein können.
    »Ich hatte mich aus dem Bibliotheksfenster gelehnt …«
    »Weshalb?«
    »Um Luft zu schnappen …«
    »Wozu?«
    »Und verlor das Gleichgewicht.«
    »Gleichgewicht?«
    »Ich bin ausgerutscht.«
    »Ausgerutscht?«
    Es schien Baxter – wie schon bei vielen früheren Unterredungen mit Lord Emsworth –, daß dieser Wortwechsel, einmal begonnen, endlos fortdauern könnte. Er verspürte den dringenden Wunsch, weit weg zu sein. Wo, war ihm egal. Solange Lord Emsworth nicht dort war, war jeder Ort Elysium.
    »Ich denke, ich werde hineingehen und mir die Hände waschen«, sagte er.
    »Und das Gesicht«, empfahl der Ehrenwerte Galahad.
    »Und das Gesicht«, sagte Rupert Baxter eisig.
    Er war noch nicht um die nächste Ecke gebogen und noch gut in Hörweite, als er Lord Emsworths klare und durchdringende Tenorstimme hörte. Wie oft bei solchen Gelegenheiten glaubte seine Lordschaft, kaum vernehmlich zu flüstern.
    »Total überkandidelt!« sagte er. Und die Worte hallten durch die sommerliche Stille wie eine öffentliche Bekanntmachung.
    Sie trafen Baxter bis ins Mark. Solches sind nicht die Worte, die ein Mann mit einer fingerlangen Schramme am linken Schienbein sich anhören zu müssen gezwungen sein sollte. Mit rotglühenden Ohren und funkelnden Brillengläsern setzte Baxter der Tüchtige seinen Weg fort.
    Lord Emsworth starrte noch immer auf die Stelle, an der sich bis vor kurzem sein früherer Sekretär befunden hatte.
    »Total überkandidelt«, wiederholte er.
    Bei seinem Bruder Galahad fand er bereitwillige Bestätigung.
    »Komplett«, sagte der Ehrenwerte Galahad.
    »Ich glaube wahrhaftig, es ist noch schlimmer mit ihm als vor zwei Jahren. Damals fiel er wenigstens nicht aus Fenstern.«
    »Wieso ist der Kerl überhaupt hier?«
    Lord Emsworth seufzte.
    »Es war Constance, mein lieber Galahad. Du kennst sie ja. Sie wollte ihn unbedingt einladen.«
    »Na, ich rate dir jedenfalls, die Blumentöpfe zu verstecken. Wenn der Bursche einen seiner Anfälle bekommt«, erklärte Galahad und weihte Sue damit in ein Familiengeheimnis ein, »wirft er damit nämlich manchmal um sich.«
    »Wirklich?«
    »Tatsache. Suchen Sie mich, Beach?«
    Die gramgebeugte Gestalt des Butlers war erschienen, langsam, so als schritte er hinter dem Sarg eines alten Freundes.
    »Ja, Sir. Der Herr ist angekommen, Mr. Galahad. Ich habe Sie schon in der Kleinen Bibliothek gesucht, aber Sie waren nicht da.«
    »Nein, ich war hier draußen.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Darum haben Sie mich nicht gefunden. Führen Sie ihn in die Kleine Bibliothek, Beach, und sagen Sie ihm, daß ich gleich komme.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    Der Ehrenwerte Galahad verzögerte sein Zusammentreffen mit seinem Besucher ein wenig, um Sue, die er ins Herz geschlossen hatte und, soweit es in seinen Kräften stand, vor den Gefahren des Lebens beschützen wollte, noch schnell zu sagen, was jedes Mädchen über Baxter den Tüchtigen wissen sollte.
    »Gehen Sie mit diesem Kerl nie allein an einen einsamen Ort, mein Kind«, riet er ihr. »Wenn er Sie zu einem Spaziergang im Wald einlädt, rufen Sie laut um Hilfe. Er hat schon seit Jahren einen Dachschaden. Sie können Clarence fragen.«
    Lord Emsworth nickte feierlich.
    »Und ich glaube«, fuhr der Ehrenwerte Galahad fort, »daß sein Irrsinn jetzt sogar selbstmörderische Züge trägt. Von wegen ausgerutscht! Wo hätte er denn ausrutschen sollen? Rausgestürzt hat er sich, jawohl! Jetzt weiß ich auch, an wen er mich immer erinnert hat. Er sieht haargenau aus wie einer, den ich in den neunziger Jahren kannte. Das erste Mal kam uns der Verdacht, daß mit ihm etwas nicht stimmen könnte, als er zum Abendessen im Haus eines meiner Freunde aufkreuzte – George Pallant. Du erinnerst dich doch an George, Clarence? – und einen Stoppelbart trug. Und als Mrs. George, die ihn ihr Leben lang gekannt hatte,

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