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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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Hügel? Ach, der Hügel!« Es war der einzige weit und breit. »Wrekin heißt er.«
    »So.«
    »Ja«, sagte Lord Emsworth.
    »Aha«, sagte Sue.
    Sie hatten den Rasen vor dem Haus überquert und standen jetzt auf der großen Terrasse, von wo man auf den Park sah. Sue lehnte sich über die Brüstung und starrte vor sich in die Dämmerung.
    Das Schloß stand auf einer kleinen Anhöhe, aber von dieser Terrasse aus kam es einem vor, als befände man sich auf einem Berggipfel. Sue konnte weit über den Park hinaus in das dunstblaue Tal von Blandings sehen, das in der Ferne träumte. Im Park hoppelten Kaninchen hin und her. In den Büschen zwitscherten schläfrig die Vögel. Irgendwo von jenseits der Felder kam schwach das Klimpern von Schafsglöckchen. Der Teich schimmerte silbrig, und am Horizont wand sich das graue Band eines Flusses durch das matte Grün der Bäume.
    Es war ein wundervoller Anblick. Alles war so alt und wohlgeordnet und englisch. Aber der Himmel störte das Bild. Er war bedeckt und schweflig. Wie aus Teig gemacht, so sah er aus; es war, als laste er wie eine schwere Decke auf der Welt. Und er grummelte vor sich hin. Ein einzelner dicker Regentropfen klatschte neben Sue auf die Steine, und von ferne kam ein dumpfes Grollen wie das Knurren eines großen, wilden Tieres.
    Sie schauderte. Niedergeschlagenheit hatte plötzlich von ihr Besitz ergriffen, und böse Ahnungen berührten eisig ihr Herz. Nirgends auf der Welt, schien dieses Grollen zu besagen, gab es Glück, und nie würde sich das ändern. Die Luft wurde drückend und feucht. Wieder fiel ein Tropfen herab und klatschte auf ihre Hand, glitschig wie eine Kröte.
    Lord Emsworths Geplauder ließ allmählich nach und erstarb dann ganz, als seine Begleiterin teilnahmslos schwieg. Er fragte sich schon, wie er von diesem Mädchen loskommen könnte, das zwar hübsch anzusehen, aber außerordentlich schwer zu unterhalten war. Als er die Umgegend nach möglicher Hilfe absuchte, entdeckte er Beach, der sich mit einem silbernen Tablett in der Hand näherte. Auf dem Tablett lagen eine Visitenkarte und ein Umschlag.
    »Für mich, Beach?«
    »Die Karte, Euer Lordschaft. Der Herr ist in der Halle.«
    Lord Emsworth atmete erleichtert auf.
    »Bitte entschuldigen Sie mich, meine Liebe. Ich muß diesen Mann dringend sprechen. Mein Bruder Galahad wird sicherlich bald wieder zurück sein. Er wird Sie unterhalten. Meine Empfehlung.«
    Froh darüber, entkommen zu können, hastete er davon, während Sue nun das Tablett bemerkte, das man ihr respektvoll entgegenhielt.
    »Für Sie, Miss.«
    »Für mich?«
    »Ja, Miss«, seufzte Beach wie Winterwind im kahlen Geäst.
    Er neigte kummervoll sein Haupt und entschwand. Sue öffnete den Umschlag. Einen atemlosen Augenblick lang dachte sie, er könnte von Ronnie sein. Aber die Schrift war nicht Ronnies vertrautes Gekritzel. Es war eine kühne, klare, energische Handschrift, die Handschrift eines tüchtigen Mannes. Sie warf einen Blick auf die letzte Seite: »… Ihr sehr ergebener R. J. Baxter.«
    Sues Herz klopfte heftig, als sie sich der ersten Seite zuwandte. Wenn ein junges Mädchen sich in einer Lage befindet wie der, in die sie sich manövriert hatte, und durch eine stahlgeränderte Brille so gemustert worden ist, wie R.J. Baxter sie durch seine Brille gemustert hatte, dann reagiert sie auf mysteriöse Briefe von dem Mann hinter der Brille zwangsläufig mit dem panischen Schrecken, alles könnte entdeckt sein.
    Schon die ersten Sätze zerstreuten aber diese Befürchtung. Offenbar waren es rein persönliche Motive, die Rupert Baxter bewogen hatten, diese Zeilen zu schreiben. Allein die Tatsache, daß der Brief mit den Worten »Liebe Miss Schoonmaker!« begann, war Trost genug.
    »Auch auf die Gefahr hin, daß Sie die Erwähnung meiner privaten Angelegenheiten als lästig empfinden«, schrieb Baxter der Tüchtige, »glaube ich Ihnen eine Erklärung für den Vorfall zu schulden, der sich heute nachmittag in Ihrem Beisein ereignete. Nach der – überaus ungehörigen – Bemerkung, die Lord Emsworth in meiner Hörweite fallen ließ, fürchte ich, daß Sie das Geschehene falsch aufgefaßt haben könnten. (Ich beziehe mich auf den Ausdruck ›Total überkandidelt‹, den ich ganz eindeutig aus Lord Emsworths Mund vernahm, während ich mich entfernte.)
    Alles verhielt sich genau so, wie ich es dargestellt habe. Ich hatte mich aus dem Fenster gebeugt, und zwar etwas zu weit, so daß ich den Halt verlor und stürzte. Daß ich mir

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