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Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht

Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht

Titel: Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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gehen.«
    Walter Gregor: Beobachtungen zum Volkstum
des nordöstlichen Schottland (1881)
    Als sie weit genug von dem Brunnen entfernt war, um bedenkenlos stehen bleiben zu können, glaubte Ashlyn, sie müsste sich übergeben. In dem tröstlichen Wissen, dass er erneut seine Arme um sie legen würde, lehnte sie sich an Seth.
    »War das eine von ihnen?«, fragte er mit den Lippen an ihrem Ohr.
    »Ja.«
    Seth hielt sie weiter fest, sagte aber nichts.
    »Was würde ich nur ohne dich machen?« Sie schloss die Augen, da sie weder die Rankenmädchen noch irgendwelche anderen Elfen sehen wollte, die dastanden und sie anstarrten.
    »Das brauchst du nie herauszufinden.« Er legte einen Arm um ihre Schultern, als sie weitergingen – vorbei an der Stelle, wo die Männer sie überfallen hatten, und vorbei an den allgegenwärtigen Elfen mit der borkenartigen Haut.
    Den Elfen gegenüber selbstsicherer aufzutreten klang in der Theorie ja ganz gut. Aber um mit Elfen reden zu können, musste sie lernen, noch viel, viel gefasster zu sein. Donia mochte sie zwar dieses eine Mal gerettet haben, aber das änderte nichts daran, was sie war.
    Als sie an ihrer Haustür ankamen, steckte Seth ihr Geld zu. »Bestell dir morgen ein Taxi.«
    Sie nahm nicht gern Geld von ihm, aber sie konnte Grams schlecht um welches bitten, ohne ihren Argwohn zu wecken. Sie steckte es ein. »Möchtest du mit hochkommen?«
    Er zog beide Augenbrauen hoch. »Verzichte.«
    Ashlyn lief die Treppe hoch und hoffte, dass Grams schon schlief. Gerade jetzt war es bestimmt besser, ihren allzu wachsamen Blicken aus dem Weg zu gehen.
    »Du hast schon wieder das Abendessen verpasst«, sagte Grams, ohne ihre Augen vom Fernseher abzuwenden, wo gerade die Nachrichten liefen. »Schlimme Dinge da draußen, Ashlyn.«
    »Ich weiß.« Sie blieb in der Tür zum Wohnzimmer stehen, ohne hineinzugehen.
    Grams saß in ihrem purpurroten Liegesessel und hatte die Füße auf den Couchtisch aus Stein und Stahl gelegt. Ihre Lesebrille hing an einer Kette um ihren Hals. Sie mochte zwar nicht mehr so jung sein wie in Ashlyns Kindheitserinnerungen, aber sie sah immer noch genauso kämpferisch aus wie damals, war noch immer schlank und gesünder als viele Frauen ihres Alters. Auch wenn sie das Haus nicht verließ, machte sie sich stets zurecht für den Fall, dass »Besuch« kam: Sie drehte ihre langen grauen Haare entweder zu einem einfachen Knoten zusammen oder band sie zu einem aufwändig geflochtenen Zopf und tauschte ihren Morgenmantel gegen Rock und Bluse.
    Grams war allerdings weder gesetzt noch ruhig. Sie war ungewöhnlich intelligent und merkte alles, wenn sie gerade aufpasste. »Irgendwas passiert?«
    Es fühlte sich an wie eine normale Frage, und für einen Zuhörer hätte es auch genauso geklungen. Sei immer auf der Hut, das ist der Schlüssel zum Überleben, wenn man mit ihnen zu tun hat. Aber dennoch schwang mehr als ein Hauch Sorge in ihrer kräftigen Stimme mit.
    »Mir geht’s gut, Grams. Bin nur müde.« Ashlyn kam ins Zimmer, beugte sich zu ihr hinab und gab ihr einen Kuss. Ich muss es ihr sagen, aber noch nicht jetzt . Sie machte sich ohnehin schon zu viele Sorgen.
    »Du trägst neuen Stahl.« Grams beäugte die Kette, die Seth Ashlyn geschenkt hatte.
    Ashlyn blieb stehen, zögerte. Wie viel erzähle ich ihr? Sie würde es weder verstehen noch gutheißen, dass Ashlyn aktiv herauszufinden versuchte, was sie wollten. Versteck dich und schau weg: Das war ihr Credo.
    »Ashlyn?« Grams stellte die Nachrichten lauter und nahm einen Zettel zur Hand. Haben SIE Dir was getan? Bist Du verletzt?, schrieb sie und hielt ihr den Zettel hin.
    »Nein.«
    Grams sah sie streng an und zeigte auf den Zettel.
    Seufzend nahm Ashlyn Stift und Papier. Sie benutzte den Couchtisch als Unterlage und schrieb: Zwei von ihnen stellen mir nach.
    Die alte Frau rang leise nach Luft. Sie riss ihr den Zettel aus der Hand. Ich rufe die Schule an und beantrage Hausunterricht, und …
    »Nein. Bitte nicht«, flüsterte Ashlyn. Sie legte ihre Hand auf die ihrer Großmutter. Dann nahm sie den Stift und schrieb: Ich bin nicht sicher, was sie wollen, aber ich möchte mich nicht verstecken . Dann sagte sie: »Bitte, ja? Lass es mich auf meine Art versuchen. Ich bin auch vorsichtig.«
    Zuerst sah Grams sie nur an, als wären unter ihrer Haut Antworten verborgen, die sichtbar werden würden, wenn sie nur genau genug hinschaute.
    Ashlyn bemühte sich, so gelassen wie möglich auszusehen.
    Halt Dich so gut es geht von

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