Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht
sich dagegen entschieden, das Risiko der Kälte auf sich zu nehmen, mit ihm das Bett teilten. Und bislang hatten sie alle das Risiko gescheut – und sich stattdessen dafür entschieden, Sommermädchen zu werden, sich geweigert, das Zepter aufzuheben. Ich liebe – liebte – ihn genug, um das Risiko auf mich zu nehmen, ein Opfer der Kälte zu werden; sie nicht. Und doch waren sie es, die ihn besaßen.
»Ash?« Der Sterbliche – Seth – zeigte zu einer Gruppe ähnlich stark gepiercter Leute, die ihn gerufen hatten.
»Ich komme gleich nach«, murmelte Ashlyn ihm mit einem schwachen Lächeln zu. Sie verschränkte ihre Arme fest vor der Brust.
»Wenn du so weit bist …« Er sah aus, als würde er lieber neben Ashlyn stehen bleiben, aber sie bedeutete ihm zu gehen – und schaute ihm nach, während er an dem Brunnen vorbeiging.
Im Wasser spielten junge Nixen. Wie die meisten Wassergeister beachteten sie die anderen Elfen im Park kaum. Donia fand sie nach wie vor beängstigender als die meisten anderen Elfen, da sie Jagd auf Menschen machten, wo sie nur konnten, ihre letzten Atemzüge tranken und den Tod irgendwie zu etwas Sexuellem machten. Nicht einmal Irials Hof der Finsternis fand sie so verstörend wie die Wassergeister.
Seth schenkte ihnen natürlich – wie die meisten Sterblichen – keinerlei Beachtung, aber sie verstummten, als er an ihnen vorbeiging, und starrten ihm mit dieser unheimlichen Gier nach, die ihnen eigen war. Sie konnten die Leidenschaft sehen, die ihn erfüllte, sie irgendwie erspüren, sonst würden sie ihn nicht so ansehen.
Ashlyn beobachtete ihn ebenfalls. Ihr Atem ging jetzt schneller, ihre Wangen waren gerötet. Dass sie ihn leichten Herzens von ihrer Seite ließ, schien sie ihm nur vorzumachen. Sie sagte nichts, entspannte sich nicht.
Und schon nach wenigen Minuten verkündete sie: »Ich kann hier nicht bleiben.«
»Steckt dir immer noch dieser Überfall in den Knochen?«
Donia war ebenfalls beunruhigt deswegen, aber aus ganz anderen Gründen. Wenn Beira herausfand, dass Donia sie verdächtigte, die Regeln zu brechen, wenn Keenan herausfand, dass Donia diese Sterbliche für die gesuchte Sommerkönigin hielt … und schon wieder sitze ich zwischen den Stühlen . Nichts war mehr einfach. Und das schon seit so unendlich langer Zeit.
Ashlyn erschauderte neben ihr. Sie starrte auf den Brunnen, oder vielleicht auch daran vorbei, dorthin, wo der Sterbliche stand. »Ja, das hat mich ganz schön mitgenommen. Es kommt mir unwirklich vor, weißt du? Und diese ganzen merkwürdigen Kreaturen, die abends durch die Straßen laufen …«
Donia setzte sich auf. »Kreaturen?«
Das war eine ungewöhnliche Wortwahl und auch Ashlyns Stimme klang seltsam, während sie in Richtung der Nixen starrte.
Kann sie sie sehen? Das wäre wirklich erstaunlich. Donia kannte Geschichten über Sterbliche, die die Sehergabe besaßen, aber sie hatte noch nie einen getroffen.
Mit einem merkwürdigen, halb spöttischen Unterton sagte Ashlyn: »Aber nicht nur solche Typen machen heutzutage so was. Selbst die Gutaussehenden können ganz furchtbar sein. Man darf ihnen nicht vertrauen, nur weil sie gut aussehen.«
Donia lachte. Es war ein kaltes Lachen, das sie in diesem Moment mit jeder Faser wie ein Geschöpf Beiras klingen ließ. »Wo warst du, als ich diesen Rat hätte gebrauchen können? Ich habe mich schon mit dem größten Fehler eingelassen, den ein Mädchen machen kann.«
»Vergiss nicht, ihn mir zu zeigen, wenn du ihn irgendwo siehst.« Ashlyn stand auf und hängte sich ihre Tasche über die Schulter.
Und damit kam Seth auch schon zurück. Aufmerksam beobachtete er jede Geste Ashlyns.
Donia lächelte die beiden an und wünschte sich, auch auf sie würde einmal jemand so warten – so wie Keenan es getan hatte.
»Nochmals vielen Dank dafür, dass du mich gerettet hast.« Ashlyn nickte und ging davon. Sie steuerte schnurstracks auf die filigranen Elfenbein-Schwestern zu, die – wie üblich leichenblass und von makabrer Schönheit – über den Boden dahinglitten.
Wenn sie sie sehen kann, weicht sie ihnen aus.
Sie tat es nicht. Sie ging einfach weiter, bis die Schwestern in letzter Sekunde aus dem Weg schwebten.
Sterbliche sehen keine Elfen . Donia lächelte bitter: Wenn es anders wäre, hätte Keenan mich niemals dazu bringen können, ihm zu vertrauen.
Zehn
»Manchmal gelang es ihnen durch ihre heitere und
gewinnende Art, unvorsichtige Männer und
Frauen dazu zu bewegen, mit ihnen zu
Weitere Kostenlose Bücher