Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht
hilft, was Schönes zu träumen.«
Er lachte, sonor und sexy. »Dann sagst du mir besser, ab welchem Alter dieser Traum freigegeben sein soll.«
»Ich lass mich überraschen.« Sie biss sich auf die Lippe. Das war unüberlegt . Sie musste wirklich aufhören, mit ihm zu flirten, bevor es kein Zurück mehr gab.
Eine Minute lang herrschte Schweigen am anderen Ende, aber sie hörte ihn atmen.
»Seth?«
»Ich bin da.« Dann begann er leise, zögerlich. »Es war einmal ein Mädchen …«
»Keine Prinzessin.«
»Nein. Absolut keine Prinzessin. Sie war viel zu klug für eine Prinzessin. Und zu tough.«
»Echt?«
»Ja, echt. Und viel stärker, als alle glaubten.«
»Lebte sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage?«
»Fehlt da nicht noch der Mittelteil?«
»Ich lese immer gern zuerst das Ende.« Sie wartete und rollte sich im Bett zusammen, um seinen Ermutigungen zu lauschen, um – wenigstens eine Minute lang – zu glauben, alles könnte gut sein. »Und? Lebte sie glücklich?«
»Ja«, antwortete er, ohne zu zögern.
Ein paar Minuten lang sagte keiner von beiden etwas. Sie hörte den Straßenverkehr im Hintergrund, seinen Atem. Sie war schon mal so eingeschlafen – einfach indem sie das Telefon ans Ohr hielt und diesen Kontakt zu ihm genoss, während er nach Hause ging.
»Hab ich erwähnt, wie sexy sie war?«, fragte er schließlich.
Sie lachte.
»Sie war so unglaublich schön, dass …« Er verstummte und sie hörte das unverkennbare Quietschen seiner Eingangstür. »Und das ist jetzt die Stelle, an der die Altersbeschränkung wechselt.«
»Bist du zu Hause?« Sie hörte, wie er umherging, die Tür schloss, die Schlüssel scheppernd auf den Tresen legte, seine Jacke auszog und fallen ließ – wahrscheinlich auf den Tisch. »Dann leg ich jetzt mal auf.«
»Und was, wenn ich das gar nicht will?«, fragte er.
Sie hörte die Musik, während er in sein Zimmer ging, irgendeine Art Jazz. Ihr Herz schlug schneller, als sie sich vorstellte, wie er sich auf seinem Bett ausstreckte, aber ihre Stimme klang nur ein kleines bisschen heiser, als sie sagte: »Gute Nacht, Seth.«
»Du läufst also schon wieder weg?« Einer seiner Stiefel fiel mit einem lauten Knall auf den Boden.
»Ich laufe nicht weg.«
Der andere Stiefel landete auf dem Boden. »Wirklich nicht?«
»Nein, wirklich nicht. Es ist nur …« Sie brach ab; ihr fiel nichts ein, womit sie diesen Satz ehrlich beenden konnte.
»Vielleicht solltest du einfach ein bisschen langsamer laufen, damit ich dich einholen kann.« Er verstummte und wartete. In letzter Zeit machte er das immer häufiger, er sagte Dinge, die sie dazu verleiten sollten, etwas Gefährliches in ihre Freundschaft hineinzulassen. »Träum süß, Ash«, sagte er schließlich, als sie nicht antwortete.
Nachdem sie aufgelegt hatten, behielt Ashlyn das Telefon in der Hand und dachte weiter über Seth nach. Es wäre eine schlechte Idee. Eine total schlechte Idee … Sie lächelte. Er findet mich klug und sexy .
Und lächelnd schlief sie ein.
Elf
»[Die Elfen] können ihre Gestalt verändern; sie können sich klein
machen oder groß und jede Gestalt annehmen, die sie wollen;
… sie sind so zahlreich wie die Grashalme. Sie sind überall.«
Lady Augusta Gregory: Visionen und Glaubens-
richtungen im Westen Irlands (1920)
Ashlyn sah sie sofort, als sie am nächsten Morgen die Stufen zur Bishop O. C. hinaufging: Elfen, die draußen vor der Tür herumlungerten, jeden in Augenschein nahmen und merkwürdig ernst wirkten.
Drinnen scharten sich weitere Elfen um die Tür zum Büro des Direktors. Was zum Teufel ging da vor? Normalerweise mieden sie die Schule – ob wegen der stählernen Schließfächer oder wegen der Fülle von religiösen Symbolen, konnte sie nicht sagen. Vielleicht beides .
Auf dem Weg zu ihrem Schließfach sah sie noch mehr von ihnen. Die Gegenwart der Elfen war erdrückend. Sie durften hier nicht herkommen. Es gab doch Regeln: Das hier sollte ein sicherer Ort sein.
»Miss Foy?«
Sie drehte sich um. Neben Pater Myers stand der Elf, auf den sie am allerwenigsten gefasst war.
»Keenan«, flüsterte sie.
»Ihr kennt euch?« Pater Myers nickte und strahlte über das ganze Gesicht. »Schön. Schön.«
Er wandte sich den beiden anderen – ebenfalls sichtbaren – Elfen neben ihm zu. Auf den ersten Blick wirkten sie nicht viel älter als Ashlyn, aber der größere der beiden hatte etwas merkwürdig Förmliches an sich, das sie vermuten ließ, dass er alt war. Für
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