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Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht

Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht

Titel: Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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bei dem Wort zusammen.
    Die Cheerleaderin schaute Ashlyn verwirrt an, unsicher, ob das ein Scherz sein sollte oder nicht.
    »Im Ernst. Vielen Dank.« Ashlyn wandte sich von dem alles andere als erfreuten Keenan ab und rutschte auf ihren Platz, dankbar, eine Ruhepause zu haben – wie kurz sie auch immer sein mochte.
    Wenige Minuten später kam Schwester Mary Louise herein und verteilte einen Stapel Blätter. »Ich dachte mir, wir unterbrechen heute mal unsere Shakespeare-Lektüre.«
    Zustimmendes Gemurmel empfing sie, rasch gefolgt von Stöhnen, als die Schüler das Gedicht auf den ausgeteilten Blättern sahen.
    Schwester Mary Louise ignorierte das Murren und schrieb einen Titel an die Tafel: »La Belle Dame Sans Merci«.
    Jemand grummelte von hinten: »Lyrik und Französisch, na toll!«
    Schwester Mary Louise lachte: »Wer möchte die ›Schöne Dame ohne Mitleid‹ vortragen?«
    Keenan erhob sich und las mit bewundernswerter Unbefangenheit die Ballade von dem Ritter vor, der auf tragische Weise in den Bann einer Elfe gerät. Doch es war nicht der Text, der jedes Mädchen im Raum aufseufzen ließ: Es war seine Stimme. Selbst ohne einen Zauber klang sie einfach sündhaft gut.
    Als er fertig mit Vorlesen war, schien Schwester Mary Louise ebenso überwältigt zu sein wie alle anderen. »Wunderschön«, murmelte sie. Dann riss sie ihren Blick von ihm los, um ihn über die Klasse schweifen und dann auf den Schülern ruhen zu lassen, die üblicherweise gut im Mündlichen waren. »Nun? Was fällt euch dazu ein?«
    »Also mir rein gar nichts«, murmelte Leslie quer über den Gang.
    Schwester Mary Louise sah Ashlyn erwartungsvoll an.
    Also sagte Ashlyn, nachdem sie noch einmal tief Luft geholt hatte: »Sie war keine Frau. Der Ritter hat irgendetwas vertraut, das nicht menschlich war, einer Elfe oder einem Vampir oder irgendwas, und jetzt ist er tot.«
    »Gut. Und was bedeutet das?«, hakte Schwester Mary Louise nach.
    »Vertraue weder Elfen noch Vampiren«, murmelte Leslie.
    Alle außer Keenan und Ashlyn lachten.
    Dann ertönte Keenans Stimme über das Gelächter hinweg: »Vielleicht trug die Elfe ja gar keine Schuld. Vielleicht spielten noch andere Faktoren eine Rolle.«
    »Na toll. Was ist schon ein Menschenleben? Er ist gestorben. Dann ist es doch völlig gleichgültig, ob die Elfe oder was auch immer sich danach schlecht fühlte oder es gar nicht gewollt hat. Der Ritter ist und bleibt tot.« Ashlyn versuchte mit ruhiger Stimme zu sprechen und im Großen und Ganzen gelang es ihr auch. Aber ihr Puls raste. Sie wusste, dass Keenan sie beobachtete, aber sie hatte ihren Blick fest auf Schwester Mary Louise gerichtet und fügte hinzu: »Das Monster leidet nicht, oder?«
    »Es könnte eine Metapher dafür sein, dass man dem Falschen vertraut, oder?«, meinte Leslie.
    »Gut. Ja.« Schwester Mary Louise ergänzte die Stichpunkte an die Tafel. »Was noch?«
    Sie diskutierten über einige andere Punkte, bis Schwester Mary Louise schließlich sagte: »Lasst uns jetzt einen Moment zu ›Goblin Market‹ von Rossetti übergehen und später noch mal darauf zurückkommen.«
    Ashlyn wunderte sich nicht, dass Keenan sich erneut zum Vorlesen meldete; ihm war bestimmt bewusst, welche Wirkung seine Stimme hatte. Diesmal starrte er Ashlyn während seines Vortrags direkt an und schaute kaum in den Text.
    Leslie lehnte sich zu Ashlyn herüber und flüsterte: »Sieht so aus, als hätte Seth Konkurrenz bekommen.«
    »Nein.« Ashlyn schüttelte den Kopf und zwang sich, Keenans Blick nicht auszuweichen, während sie antwortete: »Nein, hat er nicht. Keenan hat nichts zu bieten, was mich interessiert.«
    Sie sprach leise, aber er hörte sie. Er verhaspelte sich kurz und über sein allzu schönes Gesicht huschte ein verwirrter Blick. Er verstummte in der Mitte des Gedichts.
    Ashlyn schaute weg, um vor ihm zu verbergen, wie groß die Versuchung tatsächlich war, um sich nicht eingestehen zu müssen, wie gern sie sich über jede Vernunft hinweggesetzt hätte.
    »Cassandra, bitte lies du weiter«, unterbrach Schwester Mary Louise die Stille.
    Bitte. Mach, dass er verschwindet.
    Ashlyn sah bis zum Ende der Stunde kein einziges Mal mehr zu ihm hin. Danach rannte sie förmlich aus dem Raum und hoffte, dass das Taxi wie versprochen draußen auf sie wartete. Sie hatte Angst davor, was sie tun würde, wenn sie Keenans Aufmerksamkeit noch länger ausgesetzt war.

Zwölf
»Die Leute sagen, die einzige Möglichkeit, ihrer Wut
zu entgehen, sei, einen

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