Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
überhaupt fragte, war Grund genug, sich Sorgen zu machen.
»Sie hat noch nicht genügend Rückhalt, um mit ihren Umsturzplänen allzu weit zu kommen.« Irial hasste es, dass sie ihm immer auf den Fersen war, auf schwache Momente bei ihm lauerte und ihre kleinen Meutereien anzettelte. Mit der Zeit würde sie ihn mürbemachen. Wenn der Hof nicht weiterhin stark genug blieb, würde sie seine Dunkelelfen noch zu einer richtigen Rebellion aufstacheln. Das wäre nicht das erste Mal. Er musste sie so weit beschwichtigen, dass sie sich mit ein wenig Kettenrasseln zufriedengab, durfte ihr keinen Grund geben, noch kühner zu werden. Erst musste sich die Sache mit Leslie beruhigen.
»Bananach ist schon wieder über Niall hergefallen.« Gabriel grinste breit vor Freude. »Der Junge hält sich noch immer ganz gut in so einem Kampf.«
Irial hätte das gern mit angesehen. Niall setzte eigentlich lieber seinen Verstand ein als Gewalt, aber wenn er sich einmal auf einen Kampf einließ, dann kämpfte er genauso konzentriert und entschlossen, wie er alles andere auch tat. »Geht es ihm … gut?«
Gabriel zuckte die Achseln, aber seine fröhliche Miene verdüsterte sich nicht. »Früher oder später wird er zurückkommen, Iri. Du musst einfach langfristig denken, das ist alles.«
Irial dachte nicht darüber nach, was Niall jetzt wohl gerade tat, konnte es nicht. Er machte sich Hoffnungen, doch Hoffnung war keine Lösung. Gabriel hatte Recht: Irial musste langfristig denken. Er hatte sich zu sehr auf seine ursprünglichen Ideen versteift. Es war schon zu lange her, dass er einen konkreten Plan hatte fassen müssen. In den neun Jahrhunderten von Beiras unangefochtener Regentschaft hatte Irial es sich gestattet, schwach zu werden, war davon ausgegangen, dass sie immer so leicht an ihre Nahrung kommen würden. Doch die vergangenen Monate, seit der neue Sommerkönig und eine neue Winterkönigin im Amt waren, hatten ihm gezeigt, wie schnell sich alles ändern konnte – und er war nicht darauf vorbereitet gewesen.
»Sag Bananach, dass sie sich zusammenrotten kann, mit wem auch immer sie will, und einen kleinen Streit mit Sorcha anfangen soll. Ich kann auf Dauer nicht alle ernähren. Wenn die Höfe der Jahreszeiten fürs Erste nicht kooperativ sind, wollen wir mal sehen, was wir bei Ihrer Königlichen Langeweile erreichen können. Wenn einer Sorcha provozieren kann, dann Bananach.«
Gabriels Unterarme wurden dunkel vor lauter Botschaften, die er an Bananach weitergeben würde – und die sie hoffentlich so besänftigten, dass sie eine Weile Ruhe gab.
»Und Ani …« Irial hielt inne, um seine Worte sorgfältig abzuwägen. »Bring Tish und Rabbit her, damit sie ihr Gesellschaft leisten. Sie sollen in das Haus ziehen, in das wir Guin gebracht haben. Bei Sorchas Vorliebe für Halblinge sind sie sonst viel zu sehr in Gefahr, wenn Bananach ihren Angriff startet. Jetzt, wo Frieden herrscht, wird Sorcha den Hof des Lichts nicht mehr in strenger Abgeschiedenheit halten.«
Gabriel zögerte einen Moment. Dann sagte er: »Sei vorsichtig mit meinen Kleinen. Dass Ani sich von Sterblichen ernähren kann, macht sie nicht weniger zu meiner Tochter. Mit ihr herumzuexperimentieren …«
»Wir werden nichts tun, womit sie nicht einverstanden ist.« Irial zündete sich eine Zigarette an. Seit Leslie bei ihnen war, rauchte er mehr als sonst. Aus Sorge um sie . Er nahm ein paar Züge, bevor er weitersprach: »Lass Ani auch auf die Sterblichen los, wenn sie da sind. Ich möchte sehen, was sie aus ihnen heraussaugt. Vielleicht ist sie genau das, was wir brauchen, um unsere Probleme zu lösen.«
»Das bedeutet aber, dass es zwei Partys geben muss, denn wenn meine Kleine dabei ist, gehe ich nicht hin.« Gabriels Drohgebärden hatten dem Abscheu Platz gemacht, der ihn bei der Vorstellung überkam, dass seine Kleine auf eine ganze Menschenansammlung losgelassen wurde. »Sie hat einen guten Kern.«
»Ja, das hat sie, Gabe. Wähle ein paar Hunde aus, denen du traust, um auf sie aufzupassen. Es gibt zwei Räume, auf beiden Seiten des Flurs. Wir werden sehen, was es braucht, um mich satt zu machen – und den Hof –, bevor Leslie ins Koma fällt. Wir werden sie beobachten, ihre Reaktionen verfolgen und aufhören, kurz bevor ihre Grenzen erreicht sind.« Irial war unwohl bei dieser Vorstellung. Es gab Sterbliche, die Nervenschäden davontrugen, wenn man es zu weit trieb.
»Bring auch ein paar von Keenans Sommermädchen her. Sie bilden einen Anreiz für
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