Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
Königin.«
Er verbeugte sich kurz vor ihr.
Sie ignorierte ihn, sie hatte nur Augen für Keenan. »Das Spielchen wird langsam öde, Keenan.«
»Ich …« Der Sommerkönig seufzte. »Ich wollte dich doch nur schützen, für den Fall, dass Seth in Gefahr ist …«
Sie wandte sich Niall zu: »Ist er das denn?«
»Seth hat glücklicherweise in keiner Weise die Aufmerksamkeit des Königs der Finsternis erregt. Aber Leslie«, erwiderte Niall mit undurchdringlicher Miene.
»Leslie?«, wiederholte Ashlyn und wurde bleich. »Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass er ihren Weg kreuzt, aber ich dachte eigentlich nicht … In Rabbits Laden hat er sie nicht beachtet, und im Verlaine war er ziemlich abweisend, und sie hat gesagt, dass er sie nicht … Ich bin so blöd! Ich … ach, egal.« Sie schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf die aktuelle Situation. »Was ist denn passiert?«
»Seth ist mit Leslie weggegangen. Die Wachen sind ihnen gefolgt, aber …« Er schaute nicht Ashlyn an, sondern Keenan, da er hoffte, dass er ihm ihre jahrhundertealte Kameradschaft zugutehalten würde. »Lass mich in ihrer Nähe bleiben, bis Irial wieder verschwindet. Ich kann ihn nicht direkt angreifen, aber er ist …«
Niall konnte es nicht aussprechen, selbst jetzt noch nicht, nach all der Zeit; er wusste nicht, wie er seinen Satz beenden sollte. Dass Irial gelegentlich auch seine liebenswürdigen Momente hatte, gestand Niall nur ungern ein.
Über Keenans Gesicht huschte kurz ein wissender Blick, aber er stellte keine weiteren Fragen – und er wies auch nicht darauf hin, dass Niall sich auf unsicherem Boden bewegte. Stattdessen nickte er kaum merklich.
»Aber sie interessiert sich ohnehin schon für dich, Niall«, sagte Ashlyn leise. »Ich möchte nicht, dass sie wegen einer flüchtigen Verliebtheit ihr Leben als Sterbliche verliert.«
Das war ein Warnschuss. Er wusste es, aber er bewegte sich schon länger unter Elfen, als seine Königin überhaupt auf der Welt war. In der Hoffnung, dass Keenan sich nicht einmischte, fragte er: »Was sind deine Bedingungen?«
»Meine Bedingungen?« Sie sah zu Keenan hin.
»Die Bedingungen, zu denen er bei ihr sein darf«, erklärte Keenan.
»Es ist aber auch nie mal was unkompliziert, oder?« Ashlyn strich sich ihre Haarsträhnen aus Gold und Schatten zurück und erinnerte plötzlich an eine dieser allmächtigen Göttinnen, für die die Sterblichen die Elfen früher hielten.
»Ich bin mit allem einverstanden, was du von mir verlangst, wenn du mir nur erlaubst, für ihre Sicherheit zu sorgen.« Niall sah Ashlyn an, richtete seine Worte aber zugleich auch an Keenan. »Sonst verlange ich keine Zugeständnisse.«
Ashlyn entfernte sich ein paar Schritte von ihnen. Für eine frischgekrönte Königin schlug sie sich außerordentlich gut, aber Keenan und Niall waren schon so viel länger am Hof als sie. Es gab Sitten, Gesetze und Traditionen, die Ashlyn nach dieser kurzen Zeit noch nicht alle kennen konnte.
Niall sah seinen König an, während Ashlyn ihnen den Rücken zukehrte.
Keenan machte ihm keinerlei Zusagen. Stattdessen sagte er leise zur Königin: »Du kannst Bedingungen formulieren, unter denen Niall in ihrem Leben präsent sein darf. Er möchte das Mädchen beschützen, für ihre Sicherheit sorgen. Ich würde ihm das gestatten.«
»Also muss ich mir überlegen, wie sehr er Teil ihres Lebens sein darf?« Ashlyn sah wachsam zwischen Niall und Keenan hin und her; sie wusste, dass ihr einige Nuancen dieser Unterhaltung entgingen.
»Genau«, bestätigte Keenan. »Niemand von uns würde dem Hof der Finsternis aus freien Stücken eine Sterbliche überlassen, aber solange Irial unseren Hof nicht angreift, dürfen wir von Gesetzes wegen nicht dagegen einschreiten. Ich kann nichts tun, jedenfalls nicht direkt, es sei denn, er verstößt gegen die Gesetze.«
Damit ging der König davon. Er hatte Niall alles gesagt, was er wissen musste und was er ohnehin bereits wusste: Keenan würde nichts unternehmen. Der Sommerkönig lehnte Irials Vorlieben, seine Grausamkeiten und alles, was im Schatten seines Hofs geschah, zwar ab, doch das bedeutete keineswegs, dass er bereit war, sich in einen Kampf gegen diesen Hof zu stürzen – es sei denn, er hatte das Gesetz auf seiner Seite. Das waren seine Bedingungen, ob er sie nun offen ausgesprochen hatte oder nicht.
Der Hof der Finsternis besaß – wie alle anderen Höfe auch – freie Verfügungsgewalt. Hätte Leslie dem Sommerhof
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