Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
angehört, wäre es etwas anderes gewesen. Aber sie war ungebunden und damit Freiwild für jeden Angehörigen der Elfenwelt, der sie wollte. Keenan hatte seinen Untergebenen bereits vor Jahren verboten, Sterbliche zu fangen; und Donia hatte die gleichen Regeln erlassen, als sie den Thron der Winterkönigin bestieg. Der Hof der Finsternis kannte solche Einschränkungen indes nicht. Besonders verführerische Musiker »starben jung« und gingen der Welt der Sterblichen auf diese Weise verloren. Künstler zogen sich an unbekannte Orte zurück. Die besonders Faszinierenden, die Ungewöhnlichen, die Verlockendsten wurden geraubt, damit die Dunkelelfen sich mit ihnen vergnügen konnten. Das war eine alte Tradition; etwas, das Irial seinen Elfen stets erlaubt hatte. Wenn er Leslie für sich selbst wollte, dann gab es nichts, was sie schützen konnte.
Niall fiel vor seiner Königin auf die Knie. »Gestatte mir, dass ich ihr von uns erzähle. Bitte. Ich werde es ihr sagen, und sie wird dir Gefolgschaft schwören. Dann wäre sie in Sicherheit, außerhalb seiner Reichweite.«
Die Sommerkönigin biss sich auf die Lippen. »Ich möchte nicht, dass meine Freunde unter meiner Herrschaft stehen. Ich möchte das alles nicht …«
»Du weißt ja nicht, wie es am Hof der Finsternis zugeht. Aber ich weiß es«, erklärte Niall seiner Königin. Und er wollte auf keinen Fall, dass Leslie diese Erfahrung machen musste. Er führte verlegen eine Hand an seine Narbe. Irials Elfen hatten ihn so zugerichtet, damit er sich tagtäglich an sie erinnerte.
»Ich möchte, dass sie mit alldem hier nichts zu tun hat.« Ashlyn wies auf die Elfen, die sich im Rath and Ruins tummelten. »Ich möchte, dass sie ein normales Leben führt. Ich will nicht, dass diese Welt ihr Leben wird. Man hat ihr schon übel genug mitgespielt …«
»Wenn er sie mit sich nimmt, wird er ihr mehr wehtun, als du dir jemals vorstellen kannst.« Niall hatte die Sterblichen gesehen, die der König der Finsternis mit an seinen Hof genommen hatte; und er hatte sie gesehen, nachdem sie den Hof wieder verlassen hatten – sie lagen komatös in den Krankenhäusern der Sterblichen, liefen brabbelnd und verschreckt durch die Städte, wanden sich schreiend in Heilanstalten.
Ashlyn warf einen Blick durch den Raum und machte zielsicher den Sommerkönig aus, der ein Stück entfernt auf sie wartete. Dass sie erneut nervös auf ihrer Unterlippe herumkaute, zeigte, dass sie es ernsthaft erwog.
»Wenn Irial beschlossen hat, sie für sich zu beanspruchen, seid ihr beide, Keenan und du, die Einzigen, die ihn daran hindern können«, beschwor er sie. »Ich darf nichts gegen ihn unternehmen. Er ist ein König. Aber wenn du ihm zuvorkommst, sie einlädst, an unseren Hof zu kommen, und sie bittest, den Treueschwur abzulegen …«
»Es geht ihr besser in letzter Zeit«, unterbrach Ashlyn ihn. »Sie wirkt glücklicher und wieder mehr wie sie selbst, stärker. Ich möchte diese Entwicklung nicht beeinträchtigen und all das hier in ihr Leben hineintragen … Vielleicht spielt er ja bloß ein Spielchen mit uns.«
»Willst du das wirklich riskieren?« Die Kühnheit seiner Königin entsetzte Niall. »Bitte, meine Königin, lass mich zu ihr gehen. Wenn du nicht willst, dass sie zu dir kommt, dann lass mich wenigstens versuchen, für ihre Sicherheit zu sorgen.«
Keenan kam nicht näher; er blieb etwas entfernt stehen, um klarzumachen, dass in dieser Angelegenheit die Königin entscheiden musste – trotzdem schaltete er sich ein: »Vielleicht gibt es etwas, das wir nicht wissen, irgendeinen Grund dafür, dass Irial hinter ihr her ist. Und wenn nicht, könnte Niall versuchen, sie außerhalb seiner Reichweite zu halten und sie abzulenken, damit sie nicht aus freien Stücken mit Irial geht.«
Keenan blickte Niall an und nickte ihm zu, ohne dass Ashlyn es sehen konnte. Der König gab ihm also seine Erlaubnis, seine Zustimmung, aktiv zu werden. Trotzdem brauchte Niall auch Ashlyns Einverständnis. »Sie ist deine Freundin, aber ich habe … sie ebenfalls ins Herz geschlossen. Lass mich für ihre Sicherheit sorgen, bis er verschwindet. Denk daran, wie schwierig es für dich war, als Keenan hinter dir her war. Dabei kann sie ihn nicht einmal sehen, so wie du uns sehen konntest.«
»Ich möchte, dass sie vor Irial sicher ist.« Ashlyn sah Keenan an und erinnerte sich an die Angst, die er ihr früher eingeflößt hatte. »Aber ich möchte nicht, dass sie Teil unserer Welt wird.«
»Glaubst du denn
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