Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
wirklich, dass es eine andere Wahl gibt?«, fragte Keenan und machte durch seinen Ton deutlich, dass er nicht dieser Ansicht war. »Es war dein Wunsch, mit der Welt der Sterblichen in Verbindung zu bleiben. Das birgt nun mal einige Risiken in sich.«
»Es gibt immer eine Wahl.« Die Sommerkönigin straffte ihre Schultern. Das Zittern in ihrer Stimme, das ängstliche Flackern in ihren Augen – beides war verschwunden. »Aber ich maße mir nicht an, für sie Entscheidungen zu treffen.«
Keenan widersprach ihr nicht. Niall kannte ihn jedoch gut genug, um zu sehen, dass er ebenfalls der Meinung war, dass Leslies Wahlmöglichkeiten zusehends schrumpften. Der Unterschied war nur, dass Keenan das nicht kümmerte; er konnte sich schließlich nicht in das Leben jeder Sterblichen einmischen, die von Elfen drangsaliert wurde. Und diese spezielle Sterbliche war für Keenan nicht von Bedeutung.
Niall dagegen war sie wichtiger als jede andere Sterbliche zuvor. »Welche Bedingungen stellst du, meine Königin?«, wiederholte er.
»Du darfst ihr nichts erzählen – weder von mir noch von den Elfen noch von deiner Herkunft. Bevor wir das tun, müssen wir erst mehr in Erfahrung bringen … Wenn es einen Weg gibt, sie aus unserer Welt herauszuhalten, sie im Unwissen zu lassen, dann werden wir das tun.« Ashlyn betrachtete ihn aufmerksam und wartete offenkundig auf eine Reaktion von ihm, um abschätzen zu können, ob ihre Bedingungen weise waren.
Doch Niall spielte seine jahrhundertelange Erfahrung aus und sah sie an, ohne eine Miene zu verziehen. »Einverstanden.«
»Du darfst sie ablenken, Zeit mit ihr verbringen, aber keinen Sex mit ihr haben. Du darfst auf keinen Fall mit ihr schlafen. Wenn Irials Interesse nur flüchtig ist, wirst du dich wieder aus ihrem Leben verabschieden«, forderte Ashlyn.
Nun schaltete auch Keenan sich in das Gespräch ein: »Zettele ohne mein Einverständnis keinen Krieg an. Es mag ja sein, dass Leslie dir und Ashlyn wichtig ist, aber ich werde nicht wegen einer Sterblichen in den Krieg ziehen.«
Sie ist mehr als einfach nur eine Sterbliche. Niall war nicht sicher, warum das so war und ob es etwas änderte. Aber er nickte.
Dann fügte Keenan mit einem Grinsen hinzu: »Bleib dir einfach selbst treu, Niall. Denk stets daran, wer oder was du bist.«
Niall hätte seinen König beinahe mit offenem Mund angestarrt, erinnerte sich dann jedoch daran, dass es besser war, wenn er seine Gefühle verbarg. Also atmete er einfach ganz ruhig aus. Keenans Andeutungen standen im direkten Widerspruch zu den Wünschen, denen Ashlyn Ausdruck verliehen hatte.
Er weiß, was ich bin. Ich habe eine suchterzeugende Wirkung auf Sterbliche, und wenn ich sie verlasse, sind sie bereit, alles zu tun, damit ich sie noch einmal berühre, ihnen noch ein weiteres Mal diesen Kick verschaffe.
Ashlyn wusste all das nicht. Sie schaute auf den knienden Niall hinab und leuchtete dabei so hell, dass kein Sterblicher sie hätte ansehen können, ohne Schmerzen zu erleiden. In ihren Augen schimmerten kleine Ozeane, Delfine tauchten darin auf, durchbrachen die blaue Oberfläche. »Dies sind meine Bedingungen. Unsere Bedingungen.«
Niall nahm Ashlyns Hand und drehte sie um, um ihre Handfläche zu küssen. »Du bist eine großzügige Königin.«
Ashlyn ließ ihn einen Moment lang gewähren und zog ihn dann auf seine Füße. »Warum habe ich nur das Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben?«, fragte sie ihn.
»Weil du auch eine weise Königin bist, M’lady.« Er verbeugte sich, damit sie seine Miene nicht sah.
Damit verließ er das Rath. Er wollte keine kostbare Zeit damit vergeuden, ihr zu erzählen, welche Bedingungen sie ihm noch hätte auferlegen können: Sie hätte ihm ein zeitliches Limit setzen können; sie hätte ihm untersagen können, Bündnisse mit anderen Höfen oder ungebundenen Elfen zu schließen oder Leslie gegenüber feierliche Schwüre abzulegen, die zwar nicht enthüllten, was sie waren, sie aber dennoch besser schützten; sie hätte ihm verbieten können, sich vom Sommerhof loszusagen und sich einem anderen Hof zu verpflichten, damit Leslie sicher war; und außerdem, sich Irial an ihrer statt zur Verfügung zu stellen.
Keenan hätte einiges davon in die Verhandlungen einbringen müssen. Er hätte Nialls Spielraum stärker einschränken müssen. Warum hatte er es nicht getan? Er hätte Ashlyns Absichten stärker unterstützen sollen; stattdessen hatte er Niall vorgeschlagen, Leslie zu verführen. Niall konnte
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