Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
ist seit drei Tagen nicht erreichbar, und jetzt das.«
»Evan tut nur seine Arbeit.«
»Und genießt es, da bin ich sicher.« Keenan konnte mit Zurückweisungen aller Art nicht besonders gut umgehen; das hatte Ashlyn schon herausgefunden, als sie noch sterblich gewesen war.
Sie wechselte das Thema. »Käme mir aber seltsam vor, wenn sie wegen Niall sauer ist oder weil wir sie nach Bananach gefragt haben.«
»Eben. Sobald Niall sich beruhigt hat, kann es für unsere beiden Höfe von großem Wert sein, dass er den Hof der Finsternis regiert. Sie ist …«
»Nein, ich meine, sie wirkte doch ganz ruhig, als wir neulich von ihr weggegangen sind. Nicht glücklich, aber auch nicht wütend.« Ashlyn umarmte ein Kissen, als wäre es ein großes Stofftier. Wenn sie über die komplizierten Beziehungen innerhalb der Elfenwelt und zwischen den Höfen oder über die schon Jahrhunderte währende Missgunst zwischen den Elfen sprachen, fühlte sie sich immer unglaublich jung. Viele der Elfen mochten ja aussehen wie ihre Klassenkameraden in der Schule – und sich auch so benehmen –, aber die Langlebigkeit machte die Dinge weitaus komplizierter. Kurze Beziehungen dauerten Jahrzehnte; lange Freundschaften zogen sich über Jahrhunderte hin; Vertrauensbrüche von gestern oder von vor Jahrzehnten und Jahrhunderten zeigten alle ihre nachhaltige Wirkung. Es war sehr schwierig, damit umzugehen.
»Übersehe ich irgendetwas?«, fragte sie.
Keenan sah sie nachdenklich an. »Weißt du, Niall war einfach, wie er war. Er hat mir geholfen, mich aufs Wesentliche zu konzentrieren, kam immer direkt zum Punkt …« Seine Worte verebbten, während winzige Wolken durch seine Augen zogen – ein noch nicht eingelöstes Regen-Versprechen.
»Du vermisst ihn.«
»Ja. Ich bin sicher, dass er ein großartiger König ist … Ich wünschte nur, es wäre nicht so ein widerwärtiger Hof. Ich hab in dieser Sache ein ziemlich dürftiges Bild abgegeben«, sagte er.
»Wir haben das beide vermasselt. Ich habe Dinge ignoriert, auf die ich hätte reagieren müssen, und du …« – Ashlyn unterbrach sich. Keenans absichtliche Täuschung und die Folgen, die das für Leslie und Niall gehabt hatte, noch einmal aufzuwärmen, machte es auch nicht besser. »Wir haben beide Fehler gemacht.«
Dass Leslie im Herzen des Hofs der Finsternis gefangen gehalten worden war, war auch Ashlyns Schuld gewesen. Sie hatte eine ihrer besten Freundinnen im Stich gelassen – und Niall ebenfalls. Ashlyn trug die Hälfte der Verantwortung für die Handlungen des Sommerhofs. Und deshalb bemühte sie sich auch um ein engeres Verhältnis zu Keenan: Sie waren gemeinsam verantwortlich, und wenn sie eine Mitschuld an seinen unschönen Taten trug, musste sie wenigstens im Vorfeld wissen, worum es ging.
Und es verhindern, wenn es etwas Schreckliches ist.
»Auch sie haben falsche Entscheidungen getroffen. Dafür sind wir nicht verantwortlich.« Keenan hätte das nicht sagen können, wenn es gelogen gewesen wäre, aber es war eine Meinungsäußerung. Meinungen waren im Zusammenhang mit dem Elfen-lügen-nicht-Grundsatz unsicheres Terrain.
»Wir können uns aber auch nicht freisprechen. Du hast mir Sachen verheimlicht … und sie hatten die Konsequenzen zu tragen.« Sie hatte ihm nicht vollständig verziehen, dass er Leslie und Niall benutzt hatte, aber anders als Donia hatte Ashlyn keine andere Wahl, als mit dem Sommerkönig auszukommen. Sofern nicht einer von ihnen starb, waren sie für die Ewigkeit aneinandergekettet – oder bis sie den Sommerhof nicht mehr regierten. Und Elfenkönige behielten ihre Höfe üblicherweise mehrere Jahrhunderte lang, was einer Ewigkeit schon sehr nahekam.
Eine Ewigkeit mit Keenan. Der Gedanke erschreckte sie immer noch. Er hatte nicht sonderlich viel für eine gleichberechtigte Regentschaft übrig, und sie hatte keine Erfahrung im Umgang mit Elfen. Vor ihrer Verwandlung in eine Elfenmonarchin hatte ihre Art, mit Problemen umzugehen, hauptsächlich darin bestanden, ihnen auszuweichen. Jetzt musste sie Entscheidungen treffen. Er hatte neun Jahrhunderte regiert, ohne seine volle Macht zu besitzen. Es war problematisch, jetzt auf gleichen Rechten zu bestehen, aber die Alternative – die Verantwortung zur Hälfte mitzutragen, ohne in die Entscheidungen des Hofs einbezogen zu sein – war auch keine Lösung.
Seit sie ihre Königin geworden war, besaßen die Sommerelfen einen hohen Stellenwert für sie. Ihr Wohlergehen lag ihr am Herzen; ihr Glück
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