Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
Elfe gegeben. Das ließ nicht viel Raum für Zweifel daran, was Moira von Ashlyns Entscheidungen gehalten hätte.
Acht
Seth wollte gern überrascht sein, als er Niall am nächsten Tag im Crow’s Nest warten sah, doch er war es nicht. Ihre Freundschaft war eins der Dinge, an denen Niall festhielt, und Seth hatte nichts dagegen. Für ihn war es, als würde er gerade entdecken, dass er einen Bruder hatte – einen verschrobenen und launischen großen Bruder –, von dessen Existenz ihm nie jemand etwas erzählt hatte.
Seth drehte einen Stuhl um und setzte sich rittlings auf die Sitzfläche. »Hast du eigentlich keinen Job oder so?«
Der König der Finsternis hob zur Begrüßung sein Glas. Ein zweites stand auf dem Tisch. Er zeigte darauf und sagte: »Nicht von meiner Hand oder aus meinem Kelch ausgeschenkt.«
»Entspann dich. Ich vertraue dir. Außerdem bin ich ja bereits in deiner Welt« – Seth hob das Glas und trank daraus – »und habe auch nicht vor, sie zu verlassen.«
Niall zog die Augenbrauen zusammen. »Vielleicht solltest du nicht so großzügig sein mit deinem Vertrauen.«
»Vielleicht.« Seth beugte sich zur Seite, nahm einen sauberen Aschenbecher vom Nachbartisch und schob ihn Niall hin. »Vielleicht solltest du dich aber auch entspannen.«
In einer Ecke des Raums machte die Band ihren Soundcheck. Damali, eine von Seths halbwegs dauerhaften Freundinnen vor Ashlyn, winkte. Als er sie zuletzt gesehen hatte, hatten ihr ihre kupferrot gefärbten Rastalocken fast bis zur Taille gereicht. Jetzt waren sie nicht viel länger, dafür aber magentarot. Seth nickte ihr zu und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Niall. »Was ist los? Bist du einfach nur in der Stimmung, mir einen Vortrag zu halten, oder bist du überfürsorglich?«
»Ja.«
»Gesprächig und schlecht gelaunt heute. Mann, hab ich ein Glück.«
Niall sah ihn wütend an. »Die meisten Leute haben Angst vor mir. Ich bin Herr über die Monster, die das Elfenreich fürchtet.«
Seth zog eine Augenbraue hoch. »Hmmm.«
»Was?«
»Diese ganze ›Fürchte dich vor mir‹-Nummer passt irgendwie nicht zu dir. Blas lieber weiter Trübsal.« Seth nippte erneut an seinem Glas und ließ seinen Blick durchs Crow’s Nest schweifen. »Wir wissen beide, dass du den Tod aller hier im Raum anordnen könntest, aber ich weiß, dass du es nie tun würdest.«
»Wenn es sein müsste, schon.«
Darauf wusste Seth nichts zu erwidern – das war keine Frage, über die man diskutieren konnte –, also wechselte er das Thema. »Willst du den ganzen Nachmittag schlechte Laune verbreiten?«
»Nein.« Niall schaute in die entgegengesetzte Ecke. Um diese Tageszeit gab es noch ein freies Dartboard. »Komm.«
»Wuff«, machte Seth, stand aber, erleichtert, dass sie überhaupt etwas unternahmen, trotzdem auf.
»Warum gehorchen mir meine echten Hunde eigentlich nicht so prompt?« Niall hatte offenbar beschlossen, sich um bessere Laune zu bemühen. Sein Lächeln war schwach, aber immerhin lächelte er.
Seth ging zum Dartboard und zog die Pfeile heraus. Er betrieb dieses Spiel nicht ernsthaft genug, um seine eigenen dabeizuhaben. Niall dagegen hatte eigene Pfeile. Er war zu lange ein normaler Elf gewesen. Als König reagierte er zwar nicht mehr allergisch auf Stahl, doch diese Veränderung hatte er erst vor sehr kurzer Zeit durchlaufen, und eine Gewohnheit, die man schon sein Leben lang pflegt, legt man nicht so leicht ab. Er öffnete seinen Dartkoffer; darin lagen Pfeile mit Spitzen aus Knochen.
Niall verfolgte gedankenverloren, wie Seth sich aus den Pfeilen mit den Stahlspitzen die geradesten heraussuchte. »Sie sind zwar nicht mehr giftig für mich, aber es wäre mir trotzdem lieber, wenn sie nicht mit meiner Haut in Berührung kämen.«
»Zigaretten sind für dich auch nicht giftig, aber was die angeht, bist du nicht so zimperlich.«
»Der Punkt geht an dich. Ich sollte auf die Pfeile eigentlich keine Gedanken mehr verschwenden«, stimmte Niall ihm zu, machte aber dennoch keinerlei Anstalten, die Pfeile in Seths Händen zu berühren.
Mit einer Sorglosigkeit, die sich bei ihm in Gegenwart von Angehörigen des Sommerhofs nur selten einstellte, wandte Seth dem König der Finsternis den Rücken zu und nahm die Dartscheibe ins Visier. Zu Hause. In Sicherheit . Dass Nialls Anwesenheit in diesem Zuhause zu seinem Gefühl der Sicherheit beitrug, war ihm durchaus bewusst.
»Kricket?«
»Klar.« Seth sah nicht, was es bringen sollte, eine ernstzunehmendere
Weitere Kostenlose Bücher