Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
werden, der er jetzt war. Er gönnte sich weder Kämpfe noch One-Night-Stands; er betrank sich nicht sinnlos und legte es auch nicht darauf an, Dinge auszuprobieren, nur weil sie verboten waren. Er blieb ruhig – selbst wenn das nicht seine instinktive Reaktion war.
»Niall?« Seth ließ Ashlyn los und trat um die Tänzerinnen des Abgrunds herum. »Beruhige dich.«
»Er hat noch nicht geantwortet, oder, Seth?« Niall hatte seine Hände zu Fäusten geballt.
»Ich weiß, wo ich stehe.« Seth wusste, dass Keenan gemischte Gefühle ihm gegenüber hatte. Er hatte nie etwas getan, um Seth zu schaden, aber es wäre überraschend, wenn er nicht schon darüber nachgedacht hätte. Sogar ausgiebig. Und Tavish hat ihn bestimmt über die Risiken aufgeklärt. Aber davon wollte Seth gar nicht erst anfangen; es half sowieso nichts. »Ich brauche seine Antwort nicht zu hören.«
»Aber Ash sollte sie hören.« Niall verharrte reglos, doch es stiegen Schatten von ihm auf und wanden sich bis zu der Backsteinmauer hinter Keenan. Diese schwarzen Gitter konnten sich zu einem Käfig verfestigen. »Tritt zurück, Seth. Bitte.«
Seth bewegte sich ein Stück von der Stelle weg, an der die beiden Könige voreinanderstanden und sich wütend anstarrten. Nachdem er Zeuge des Streits mit der Rabenelfe geworden war, konnte Seth sich denken, dass es keine gute Idee war, zwischen den beiden zu stehen. Sterbliche sind zu zerbrechlich. Der Gedanke empörte ihn, aber es stimmte. Ich kann zu leicht von ihnen vernichtet werden. Von ihnen allen.
»Keenan würde Seth nichts antun«, murmelte Ashlyn. Sie trat zu ihm und nahm Seths Hand. »Das würde ich ihm nie verzeihen, und das weiß er.«
Niall bedachte sie mit einem kritischen Blick. »Ach, tatsächlich?«
Sonnenstrahlen umflimmerten sie, als sie wütend auf Niall wurde. »Ja, tatsächlich .«
Sie alle hielten inne, als an der Tür ein Tumult entstand. Wachen des Sommerhofs versuchten einer Gruppe von auffällig tätowierten Elfen den Zutritt zu verwehren, doch ohne Erfolg. Gabriel, Anführer der Hundselfen und linke Hand vom Hof der Finsternis, kam hereingeschlendert. Bei ihm waren sechs andere Hunde – darunter auch Chela, Gabriels wüste und seltsam freundliche Gefährtin – und Gabriels halbsterbliche Tochter Ani. Gabriels Schritte hallten auf dem Boden wider. Eine Welle der Angst, die die Hundselfen stets auslösten, lief durch den Raum.
Und Seth war einmal mehr für das Zaubermittel gegen magische Kräfte dankbar, das Niall ihm geschenkt hatte. Er mochte ja zerbrechlich sein, aber er war nicht empfänglich für die Angst, die die Hunde verbreiteten, und auch für keinen anderen ihrer Zauber. Donia hatte ihm zwar die Sehergabe verliehen, doch die gestattete ihm lediglich, sie zu sehen. Niall hatte ihn davor bewahrt, dass sie mit seinen Gefühlen spielen konnten.
»Gabe!«, sagte Seth. Er war nicht sicher, ob die Ankunft der Hunde gut oder schlecht war. Sie waren nicht gerade für ihre Behutsamkeit und Besonnenheit bekannt. »Schön, dich zu treffen … glaube ich.«
Gabriel lachte. »Wir werden sehen.«
Chela zwinkerte Seth zu. »Sterblicher.«
Niall ließ Keenan nicht aus den Augen. »Wenn du Seth etwas tust, werde ich dir nicht vergeben. Er ist mein Freund und steht unter dem Schutz des Hofs der Finsternis.«
»Keenan wird Seth nichts tun«, warf Ashlyn ein. »Und unser Hof sorgt bereits für seine Sicherheit. Er braucht dich nicht.«
Keenan warf Niall einen gelangweilten Blick zu und fragte dann Seth: »Bietest du dem Hof der Finsternis deine Gefolgschaft an, Seth Morgan?«
»Nein.«
»Bietest du sie dem Sommerhof an?«
Seth spürte, wie Ashlyn sich neben ihm anspannte. »Nein, aber ein Freundschaftsangebot würde ich beiden Höfen nicht ausschlagen.«
»Sie hat ihren Preis …« Keenans arglose Miene war aufgesetzt, eine Art Lüge. »Schmerz, Sex, Blut, es gibt viele schreckliche Gegenleistungen, die der Hof der Finsternis einfordern kann. Bist du bereit dazu, wenn sie dich auffordern, für ihren Schutz zu zahlen?«
»Seth?« Die Sorge in Ashlyns Stimme war echt. Sie war die Einzige im Raum, die womöglich glaubte, dass Keenan Seth zu helfen versuchte.
Indem Niall Seth die Freundschaft seines Hofs anbot, hatte er ihm ungebeten eine Rettungsleine zugeworfen und keine Falle gestellt. Seth hatte das verstanden. Auch wenn sie es nicht sieht. Die Freundschaft eines ganzen Hofs war mehr als einfach nur Nialls Freundschaft: Sie bedeutete, dass alle, die diesem Thron
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