Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
wich zurück, suchte mehr Distanz zu ihr als sonst. »Du brauchst mich nicht zu verhätscheln.«
»Geht es dir gut? Ist dir schwindlig?«, fragte sie.
Er saß auf dem Boden neben ihr, doch außerhalb ihrer Reichweite. Er sah wütend zu Seth hinüber. »Seth muss sich ja wahnsinnig freuen.«
Sie erstarrte. »Tu das nicht. Gib Seth nicht die Schuld an Nialls Wut.«
»Aber Niall hat mich um Seths willen geschlagen.« Er stand nicht auf, und sie war ziemlich sicher, dass er es deshalb nicht tat, weil er nicht wusste, ob er dazu schon in der Lage war.
»Und ich habe Niall um deinetwillen zur Rechenschaft gezogen.«
Keenan lächelte – grausam. »Na, dann.«
Sie spähte zu Seth hinüber, der auf halbem Weg zu ihnen stehen geblieben war. Solange er den Eindruck hatte, dass sie stritten, würde er wahrscheinlich nicht näher kommen. Er behandelte sie nie anders als gleichwertig. »Wenn du Niall gesehen hättest … was er … als er –«
Diesmal war Keenan derjenige, der erstarrte. »Als er was ?«
»Niall ist stärker als ich.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn er mich hätte verletzen wollen, hätte er es tun können. Ich hätte keinerlei Möglichkeit gehabt, ihn davon abzuhalten.«
»Hat er dir wehgetan?« Plötzlich war er näher bei ihr, strich mit den Händen über ihre Arme, griff nach ihr, als wollte er sie an sich ziehen.
Und ich möchte, dass er es tut. Es war ein Instinkt. Aber es war unnötig: Es ging ihr gut.
»Hör auf. Ich habe ein paar Schrammen, aber das ist alles … und ich war genauso schuld daran wie er.« Sie errötete. »Ich hab die Beherrschung verloren. Er wollte weggehen, aber du lagst verletzt am Boden und ich war … wütend.«
Sie erzählte ihm, was er verpasst hatte.
»Und was hast du gefühlt, als er dich gegen die Schatten gedrückt hat?« Keenan klang nun nicht mehr gekränkt und auch nicht verärgert. Er forderte sie heraus, so wie er sie in ihrem vorherigen Gespräch herausgefordert hatte. »Worauf hast du Lust bekommen?«
Sie zog den Kopf ein. »Das geht dich … Das … sage ich dir nicht. Es war nicht real. Es war bloß das Ergebnis irgendeiner Perversion vom …«
Sie verstummte, Lügen konnte sie nicht aussprechen.
»Was du für mich empfindest, ist keine Perversion, Ashlyn. Ist es so schwer, das zuzugeben? Ist schon das zu viel verlangt?« Er drängte sie, als änderte das etwas, wenn er es aus ihrem Mund hörte, als bedeutete dieses Eingeständnis genauso viel wie die Tatsache, dass der König der Finsternis ihn niedergestreckt hatte, als wäre ihre persönliche Situation von überragender Bedeutung.
Ist sie nicht.
»Du kennst meine Antwort bereits – und das hier ändert gar nichts . Ich liebe Seth.« Damit stand sie auf und durchquerte den Raum. Auf dem Weg zu Seth versuchte sie dieses ganze unangenehme Thema von sich wegzuschieben.
Ihm war auch nicht wohl in seiner Haut; das war ihm deutlich anzusehen.
»Alles in Ordnung mit ihm?«, fragte Seth widerwillig. Sie ließen sich an einem ramponierten Tisch nieder, den die Wachen für sie frei gemacht hatten.
»Sein Stolz ist verletzt, aber seinem Kopf geht es anscheinend ganz gut.«
»Und wie geht’s dir?« Seth bedrängte oder belagerte sie nicht. Er hatte genug Vertrauen zu ihr, um zu wissen, dass sie zu ihm kam, wenn sie etwas brauchte.
»Ich habe Angst.«
»Niall ist …« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er dir wehtun würde. Aber als du in diesem Ding warst, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher. Du sahst so verängstigt aus, als er dich gegen diesen Käfig gedrückt hat. Was war das?«
»Das war die Energie des Hofs der Finsternis, so wie ich mein Sonnenlicht und meine Hitze habe und Don ihr Eis. Niall hat andere Dinge. Angst, Wut und Begierde. Das ist es, worüber der Hof der Finsternis verfügt.«
»Begierde?«, wiederholte Seth.
Sie errötete.
Und Seth sprach die Worte aus, die sie nicht aussprechen wollte. »Aber es war nicht Niall, den du begehrt hast.«
Seth blickte zu Keenan hin, und sie sah die Traurigkeit in seinen Augen. Dann griff er nach Ashlyns Hand.
Kein Druck. Nicht mal jetzt . Er vertraute ihr.
Die Band hatte zu spielen begonnen, während sie dort saßen; Damali sang irgendetwas von Freiheit und Gewehrkugeln. Ihre Stimme hatte eine Intensität, die die Band zum Erfolg führen könnte, doch die Texte waren armselig.
Keenan kam schweigend zu ihnen an den Tisch. Er sah auch nicht fröhlicher aus, als sie sich fühlte – oder als
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