Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
Gelegenheit, einen Platz zum Hinsetzen zu suchen. Sobald die Musik anhob, konnten sie nicht anders, als gebannt stehen zu bleiben oder zu tanzen. Er vermutete, dass Ashlyn dem Sog der Lieder hätte widerstehen können, er konnte es jedoch nicht. Elfenmusik füllte einen vollkommen aus.
Sie waren erst einige Schritte gegangen, als eine Skogsrå Seths Aufmerksamkeit erregte. Von allen Elfenwesen, denen er begegnet war, gehörten die Skogsrås zu den beunruhigendsten. Sie existierten ausschließlich, um andere in Versuchung zu führen, das war ihr einziger Daseinszweck. Skogsrås besaßen keinen Rücken und waren – im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne – innen hohl; ihre Anziehungskraft lag in ihrer Bedürftigkeit. Sowohl Sterbliche als auch Elfen konnten der hungrigen Leere in ihnen kaum widerstehen. Seth war sich nicht sicher, wie er diese Versuchung ohne Nialls Zaubermittel gemeistert hätte.
Die Skogsrå, Britta, warf ihm eine Kusshand zu.
Ashlyn hielt seine Hand ein wenig fester, sagte aber nichts.
Seth reagierte nicht. Er nickte, ermutigte sie jedoch nicht. Die Gegenden, in denen die Musikabende stattfanden, wurden vorübergehend zu neutralem Gelände erklärt, so dass die Skogsrås alle kühner waren. Und um die Wahrheit zu sagen, war Britta wahrscheinlich immer kühn, ganz gleich, wo sie sich herumtrieb. Eine Elfe, die stark genug war, um alleine aufzutreten, und das dort, wo mehrere Höfe im Konflikt zueinander standen, musste man ernst nehmen.
Britta kam auf sie zu. Auf neutralem Boden waren sie alle gleich. Seth gefiel das, doch Ashlyns Anspannung ließ sehr deutlich erkennen, dass ihr das in diesem Moment überhaupt nicht behagte.
Nur wenige Schritte von ihnen entfernt stolperte Britta und Seth fing sie, ohne nachzudenken, auf. Dabei glitt eine seiner Hände über die Stelle, wo eigentlich ihr Rücken sein sollte. Obwohl ihre dünne Bluse den Großteil der Leerstelle verdeckte, spürte er sofort den Sog dieses Hohlraums.
»Das ist lieb, dass du mich gerettet hast, Süßer.« Sie küsste ihn mit einer Vertrautheit auf die Wange, für die es keine Grundlage gab. Dann sah sie Ashlyn an. »Königin.«
Als sie davonschlenderte, murmelte Ashlyn: »Ich glaube, ich werde mich niemals wohlfühlen, wenn eine von ihnen in der Nähe ist.«
»Ach, das wird schon«, versicherte er ihr. »Wir werden uns beide daran gewöhnen.«
»Vorher waren die Dinge auch nicht einfacher, aber sie schienen mehr Sinn zu ergeben.« Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
»Auch das hier wird dir irgendwann sinnvoll erscheinen. Es ist bloß alles noch so neu für dich«, sagte er.
Sie nickte nur, und er vermutete, dass sie einer Antwort auswich, weil sie nicht zugeben wollte, wie ängstlich sie war. Er hatte auch Angst. Aber wenn er ihr erzählen würde, was Keenan zu ihm gesagt hatte, und wenn er durchblicken ließe, wie weh sie ihm in Wirklichkeit getan hatte, als sie Keenan gegenüber schwach geworden war, würde das nur eine noch größere Distanz zwischen ihnen schaffen, während er doch eine größere Nähe wollte. Er wollte ihr näher sein, doch bis sie ergründet hatte, wer sie war, und er einen Weg gefunden hatte, mehr als bloß ein Sterblicher zu sein, der in einer Welt von Elfen gefangen war, war Distanz unvermeidlich.
Dann fingen die Meerwesen richtig an zu singen. Musiker entlang des Flussufers und in den Bäumen und weiter weg in der Dunkelheit, wo sterbliche Augen sie nicht sehen konnten, stimmten mit ein. Trommelnde Rhythmen und jubilierende Flötentöne, Laute von Instrumenten, die kein Sterblicher je gesehen hatte, Stimmen, die sich hoben und senkten wie die ans Ufer plätschernden Wellen – überall um sie herum war reine Musik.
Ashlyn seufzte zufrieden. »Es ist nicht alles schlecht daran, was?«
»Nein, ganz und gar nicht.« Er spürte die Musik, ihre Reinheit, wie etwas Greifbares. Die Welt der Elfen war nicht perfekt, doch manchmal war sie um so vieles reicher. Ihre improvisierte Musik war intensiver, fesselnder als selbst die beste von Menschen gemachte Musik. Niemand choreografierte die Bewegungen der Tänzer, die die Töne mit ihren Körpern interpretierten; niemand dirigierte die Musiker, die mit der Dunkelheit verschmolzen.
»Komm mit.« Ashlyn führte ihn zu einem abgestorbenen Baum.
In den Zweigen saßen drei Raben. Eine Sekunde lang war Seth sich sicher, dass sie ihre Blicke auf ihn hefteten, doch Ashlyn zerrte an seiner Hand und er folgte ihr, ebenso erfüllt von ihr wie von
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