Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
der Musik. Als sie seine Hand losließ, war es ihm, als würde sein Herz durch seine Brust hindurchschlagen. Er hatte den Sängern den Rücken zugekehrt, doch die Musik wirbelte um ihn herum. Ash stand vor ihm wie ein mit der Musik konkurrierendes Traumbild. Sie berührte ganz leicht eine Weinrebe, die sich um das Baumskelett gewunden hatte und unter ihrer Hand raschelnd in die Länge wuchs, bis eine Art Hängematte von einem der Äste baumelte.
Dann ließ sie die Weinrebe los und nahm wieder seine Hand.
Solange er sie berührte, sie sah, sich in ihr verlor, konnte er sich bewegen. Die Musik hielt ihn noch immer in ihrem Bann, doch Ashlyn war mehr als Elfenmagie. Die Liebe verlieh ihm die Kraft, Zauber und Illusion zu durchbrechen.
»Wollen wir uns hier hinkuscheln?«, fragte sie.
»Mit Vergnügen.« Er sank in das Netz aus Weinreben und öffnete seine Arme für sie.
Zwölf
Als Bananach eintraf, saß Donia im vierten Stock am Fenster und betrachtete die am Firmament aufscheinenden Sterne. Diese Tageszeit, in der die lebendigen Farben am Horizont langsam verblassten, war eine ihrer liebsten. Es war weder hell noch dunkel, sondern irgendetwas dazwischen. So fühlte sich das Leben jetzt schon lange an: Es konnte besser werden oder schlechter. Sie hatte gehofft, es würde besser, doch nun stand die kriegerische Bananach vor dem Tor und wollte zu ihr.
Donia beobachtete, wie Bananach den Weg hochgeschlendert kam, dann stehen blieb und einen der spitzen Zaunpfosten umklammerte. Die pfeilartigen Spitzen der Pfosten waren messerscharf. Bananach umfasste sie jedoch nicht fest genug, um sich wirklich zu verletzen, während sie dastand und zum Haus hinsah.
Warum bist du hier?
Mit den starken, halb ungebundenen Elfen hatte sich Donia noch nicht ausreichend beschäftigt. Dazu hatte es bislang keinen Anlass gegeben. Während der letzten Monate hatte sie sie jedoch so viel wie möglich beobachtet und Beiras Korrespondenz mit verschiedenen ungebundenen Elfen und den Oberhäuptern anderer Höfe durchgesehen. Den Hof der Finsternis verstand sie inzwischen weitaus besser als die anderen Höfe. Keenans Sommerhof wurde gerade erst erwachsen und war immer noch dabei, eine eigene Identität zu entwickeln. Trotz seiner langen Geschichte erfuhr er durch die Entdeckung von Keenans lange gesuchter Königin seit kurzem eine Erneuerung. Sorchas Hof des Lichts lebte sehr zurückgezogen und interagierte so wenig wie möglich mit anderen außerhalb des eigenen Reichs. Der Hof der Finsternis war ein kompliziertes Netzwerk krimineller Machenschaften. Zu Beiras Zeiten hatte Irial jede Droge verkauft, die gerade in Mode war. Seine Elfen hatten Verbindungen zu berühmten Verbrechern und Kleinkriminellen unterhalten, er selbst eine Kette von Strip-Clubs und Fetisch-Bars für so ziemlich jede sexuelle Orientierung besessen. Seit Niall den Hof der Finsternis übernommen hatte, war einiges anders geworden. Wie Irial überschritt der neue König gewisse Grenzen nicht, aber er hatte mehr von ihnen. Bananach dagegen kannte keine Grenzen. Sie hatte nur ein Ziel, eine Aufgabe: Chaos und Blutvergießen.
Während Donia durch die schmutzige Fensterscheibe auf den personifizierten Krieg herunterschaute, stand die amoralische, zielstrebige Elfe mit geschlossenen Augen da und lächelte.
Evan klopfte leise an die Tür. »Donia?«
Bei seinem Eintreten füllte sich das staubige Zimmer sofort mit dem Waldgeruch, den er verströmte. »Aaaah, du hast schon gesehen, dass sie da ist.«
Donia wandte ihren Blick nicht vom Fenster ab, als Evan hinter sie trat. »Was will sie von uns?«
»Nichts, was wir ihr geben möchten.« Evan erschauderte.
Donia hielt es für klüger, ihre Elfen bei diesem Zusammentreffen nicht um sich zu haben, nicht einmal den Anführer ihrer Schutzgarde. Die Kriegselfe konnte jeden Wachtposten – und wenn es sein musste, auch ganze Kolonnen von ihnen – mühelos überwältigen. Es war besser, sie nicht in Versuchung zu führen. Und noch besser war es, den Kontakt zu ihr komplett zu vermeiden, doch das war heute anscheinend nicht möglich.
»Ich werde allein mit ihr sprechen«, sagte Donia.
Evan verbeugte sich und ging, als Bananach die Treppe hochgeeilt kam.
Kaum war die Rabenelfe im Zimmer, ließ sie sich in ihrem blutbefleckten, nach Asche und Tod riechenden Arbeitsanzug mitten auf dem Teppich nieder. Sie setzte sich in den Schneidersitz, als hätte sie ein Lagerfeuer vor sich, und klopfte neben sich auf den Boden. »Komm
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