Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
Wüste werden wir damit nicht sehr weit kommen.«
»Wieso?« Ash ließ seinen Themenwechsel unkommentiert. Auch sie war nicht ganz sicher, ob sie wirklich darüber sprechen wollte, aber sie mussten es tun.
»Da lebt Rika. Sie war eins von den Wintermädchen.« Keenan runzelte die Stirn. »Und Donia allzu ähnlich. Sie hat noch eine Rechnung mit mir offen.«
»Du sagst das, als wäre es überraschend.« Sie stand neben dem Sofa, näher bei ihm, als sie sollte, aber sie wollte sich nicht einschränken lassen, was auch immer da Seltsames geschehen war.
»Ist es auch.« Keenan lehnte sich auf dem Sofa zurück, legte seine Füße auf den Couchtisch und faltete die Hände. »Sie benehmen sich, als würde ich ihnen mit Absicht wehtun. Dabei wollte ich noch nie jemandem wehtun … außer Beira und Irial.«
»Also sollen sie dir einfach vergeben und alles vergessen?« Ashlyn war diesem Thema schon seit Monaten ausgewichen. Sie war einer Menge Themen ausgewichen, aber früher oder später mussten sie sie alle angehen. Die Ewigkeit war eine viel zu lange Zeit, um die Dinge einfach so vor sich hin köcheln zu lassen. »Wir haben alle so viel verloren, als du uns ausgewählt hast …«
»Wir?«, unterbrach er.
»Was meinst du?« Sie zog einen Stuhl heran und setzte sich.
»Du hast gesagt: › Wir haben alle so viel verloren.‹ Du hast dich mit den Sommer- und Wintermädchen in eine Reihe gestellt.«
»Nein, ich …« Sie brach ab und wurde rot. »Ja, das habe ich, oder?«
Er nickte.
»Ich bin eine von ihnen. Wir, alle diejenigen, die du ausgewählt hast, haben eine Menge verloren.« Sie zog den Kopf zwischen die Schultern, so dass ihre Haare nach vorn fielen wie ein Vorhang, hinter dem sie sich verstecken konnte. »Es ist ja nicht so, als hätte ich nicht auch einige unglaublich tolle Dinge gewonnen. Das ist mir schon klar. Wirklich.«
»Aber?«, fragte er mit ungewohnt undurchdringlicher Miene.
»Aber es ist schwer. Das hier. Ich schwöre dir, ich werde nie festen Boden unter die Füße kriegen. Grams wird sterben, Seth –« Sie hielt sich davon ab, es auch nur auszusprechen. »Ich werde alle verlieren. Ich werde nicht sterben, aber sie schon.«
Er hob eine Hand, als wollte er sie berühren, ließ sie dann aber wieder sinken. »Ich weiß.«
Sie atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen. »Es ist schwer, deswegen nicht wütend zu werden. Dass du mich ausgewählt hast, bedeutet, dass ich alle Menschen verlieren werde, die ich liebe. Ich werde für immer da sein und ihnen beim Altern und Sterben zusehen.«
»Es heißt auch für mich, dass ich diejenige verlieren werde, die ich liebe. Donia wird nur so lange in meinem Leben bleiben, wie dein Herz einem anderen gehört«, gab Keenan zu.
»Nicht.« Ashlyn erschauderte, als sie ihn solche Dinge in einem so beiläufigen Ton sagen hörte. »Das ist nicht fair … für niemanden .«
»Ich weiß.« Er war so still, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. In der Oase, die sie in seinen Augen sehen konnte, ging die Sonne auf. »Ich wollte ja auch nie, dass es so läuft. Beira und Irial haben meine Kräfte beschnitten. Was sollte ich da tun? Den Sommer sterben lassen? Die Erde frieren lassen, bis alle Sterblichen und alle Elfen verschwunden sein würden?«
»Nein.« Der vernünftige Teil von ihr sah das ein. Sie wusste, dass er keine echte Alternative gehabt hatte, aber trotzdem tat es weh. Die Logik konnte den Kummer und die Angst nicht aufheben. Sie hatte Seth gerade erst gefunden, und schon entglitt er wieder ihren Händen. Er wird sterben . Sie dachte es. Sie konnte es nicht aussprechen, aber sie dachte immer öfter daran. In vielen, vielen Jahren, in vielen Jahrhunderten würde sie immer noch das sein, was sie jetzt war, und er würde als Staub in der Erde liegen. Wie könnte ich da nicht wütend sein? Wenn sie keine Elfe wäre, müsste sie keiner Zukunft ohne Seth ins Auge sehen.
»Was hättest du denn anders gemacht, Ashlyn? Hättest du den Hof sterben lassen? Wenn Irial deine Kräfte beschnitten hätte, hättest du da einfach die Achseln gezuckt und die Menschheit und deinen Hof verwelken und sterben lassen?«
Sie sah einen sterbenden Stern in Keenans Augen, einen dunklen Himmelskörper, in dem ein paarmal verzweifelt Licht aufflackerte. Während sie sprachlos zuschaute, sah sie überall winzige Sterne um diese sterbende Sonne; sie trieben bereits leblos in einer wachsenden Leere. Sie hatte nicht vorgehabt, ihren Hof zu lieben; wenn er ihr vor Monaten
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