Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
lebte, mich zu bekämpfen und Geschichten darüber zu erzählen, wie schrecklich es ist, mir zu vertrauen.« Er bedeckte ihren Hals und ihr Schlüsselbein mit Küssen, während er sprach. »Und auch jetzt bin ich nicht hier, weil du die Winterkönigin bist, aber ich werde trotzdem tun, was ich kann. Und wenn ich einen Fehler mache …«
»Werde ich keine Gnade zeigen, bloß weil ich dich liebe.« Sie meinte es ernst und war dankbar dafür, dass Elfen nicht lügen konnten, weil sie zum ersten Mal seit endlos langer Zeit völlig offen miteinander sprachen. »Aber ich werde versuchen, nicht rachsüchtig zu werden, wenn mir das Herz bricht, wenn Seth stirbt und du …«
Er brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen und flüsterte dann: »Können wir bitte nicht über unser Ende sprechen? Wir stehen heute am Anfang. Ich gehöre dir. Voll und ganz, ohne Vorbehalt. Ich werde nicht versuchen, mich in deine Hofangelegenheiten einzumischen. Kannst du mich jetzt küssen?«
Sie lächelte. »Das kann ich.«
Dieser Kuss war anders als jeder andere zuvor. Diesmal ging es nicht darum, sich gegenseitig zu verzehren oder zu trösten, und auch die Sorge umeinander spielte keine Rolle. Er war langsam und behutsam – und viel zu schnell vorbei.
Er lehnte sich an den Baum und sah sie mit der Liebe im Blick an, von der sie immer geträumt hatte. »In ein paar Monaten werde ich dazu in der Lage sein, mehrere Tage in deinen Armen zu liegen, doch jetzt« – er trat vorsichtig ein Stück von ihr weg – »habe ich die Grenzen meiner Selbstbeherrschung erreicht … ich gebe es zu. Siehst du? Wir schaffen das. Wir können zusammen sein.«
»Zur Sonnenwende« – sie ließ einen kleinen Schneeschauer auf sie beide herabregnen – »gibt es dann aber kein Entkommen mehr.«
»Die Sonnenwende kann gar nicht früh genug kommen.« Er schnellte vor und küsste eine Schneeflocke von ihren Lippen, dann war er verschwunden.
Er ist ein Narr. Sie lächelte in sich hinein. Aber er ist mein Narr. Fürs Erste. Am Ende würde er in Ashlyns Armen landen – in dem Punkt war Donia sich so gut wie sicher. Wenn Seth nicht mehr war, würde Donia Keenan freigeben müssen. Vielleicht würde sie für einige Jahrzehnte aus Huntsdale wegziehen müssen, wenn es so weit war, aber bis dahin hatte sie Grund zur Hoffnung.
Vielleicht waren Bananachs Kriegsvisionen falsch gewesen. Sie und Keenan hatten nur aufeinander zugehen müssen. Die Visionen der Kriegselfe zeigten – ebenso wie Sorchas vermeintlicher Weitblick – Wahrscheinlichkeiten, nicht Sicherheiten.
Und diese Wahrscheinlichkeiten haben sich gerade gewandelt.
Siebzehn
Ashlyn erwachte um die Mittagszeit. Sie war allein in Keenans Zimmer. Ihre Kleider lagen ausgebreitet auf einer Ottomane, die jemand als Sitzgelegenheit an ihr Bett geschoben hatte. Ein Frühstückstablett stand auf dem Nachttisch. Aber bevor sie aß oder sich anzog, wollte sie mit Seth sprechen. Sie wählte seine Nummer, zweimal, doch er ging nicht dran.
Sie rief Keenan an.
»Wie geht es dir?« waren seine ersten Worte. Er klang ruhig, freundlich, als sei nichts gewesen.
Sie seufzte erleichtert. »Besser. Mir geht’s schon besser.«
»Neben dem Bett steht etwas zu essen«, jetzt klang er zaghaft. »Ich habe alle halbe Stunde ein neues Tablett reinbringen lassen, damit das Essen warm ist, wann immer du aufwachst.«
»Ich hätte es doch auch aufwärmen können. Sonnenlicht, du erinnerst dich?« Sie war erleichtert, dass sie miteinander reden konnten, dass kein ungutes Gefühl zurückgeblieben war. »Wo bist du?«
»Auf der Obstplantage außerhalb der Stadt. Es ist wunderschön hier. Die Früchte gedeihen jetzt prächtig.«
»Du bist also dort, weil du …«
»Ich wollte ihnen nur ein bisschen zusätzliche Aufmerksamkeit schenken. Nach ihnen sehen.« In seiner Stimme wirbelten warme Strömungen. Er klang nur selten so eins mit sich und der Welt.
Sie empfand die Freude darüber, die Erde wieder blühen zu sehen, noch nicht ganz so intensiv wie er, aber sie teilte sie, wenn auch in einem geringeren Maß. Sie hatte weniger als zwei Jahrzehnte bitterer Kälte erlebt; er dagegen ganze Jahrhunderte – und sich dabei stets danach gesehnt, diesen Zustand beenden zu können. Die Erkenntnis kam unvermittelt: »Da gehst du immer hin, wenn ich in der Schule bin, oder?«
»Auf die Plantage? Nein, nicht immer.« Er klang ausweichend.
»Aber dann an andere, ähnliche Orte.« Sie nahm die Abdeckung von ihrem Teller. Das Essen war
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