Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
hatte – und ihn ebenfalls töten würde.
»Weiß dein König, dass du hier bist?«, fragte er.
Sie lachte krächzend, ein Geräusch, das eigentlich aus einem Rabenschnabel hätte kommen sollen. »Mutiges Kind. Ich bin sicher, dass er es erfahren wird … irgendwann. Aber er ist nie rechtzeitig zur Stelle, um mich von meinem Weg abzubringen.«
Seths Angst erreichte ihren Höhepunkt und er trat in den Wagen. »Er hat mir den Schutz eures Hofs angeboten. Und ich habe akzeptiert.«
»Natürlich. Er hat eine Vorliebe für dich, stimmt’s? Der neue König der Finsternis hatte schon immer seine sterblichen Lieblinge. Aber so schlimm wie unser letzter König ist er nicht …« Sie ging übertrieben langsam auf ihn zu, wie in einem Film, der nur Bild für Bild weiterläuft.
Seth wünschte sich, er hätte sein Handy zur Hand. Niall konnte zwar nicht schnell genug hier sein, aber er würde wenigstens wissen, dass es diese Elfe war, die – was? mich umgebracht hat? Seth warf einen Blick durchs Zimmer: Er konnte sein Telefon sehen. Er machte einen weiteren Schritt rückwärts.
»Nun ja, wir sollten ihm besser nicht erzählen, was wir vorhaben.« Die Elfe schüttelte den Kopf wie eine Mutter, die ihre Missbilligung zum Ausdruck bringt. »Er würde nur Nein sagen, wenn er es wüsste.«
Er ging noch einen Schritt rückwärts. »Nein sagen zu was?«
Sie hielt mitten in der Bewegung inne. »Dazu, dass du Ihre Königliche Langweiligkeit triffst. Das ist es doch, was du willst, oder? Aber sie werden alle Nein sagen.« Sie seufzte, doch es klang nicht bekümmert – es klang sehnsuchtsvoll, und Seth wollte lieber nicht wissen, wonach sie sich sehnte. »Ungezogener Junge, versucht mit der Königin der Vernunft zu sprechen. Sie weiß von dir. Sie hat ihren Handlanger nach dir ausgesandt. Das ganze Elfenreich kichert schon über den frei herumstreunenden Sterblichen.«
Als er das hörte, blieb auch Seth stehen. »Versuchst du, mir zu helfen?«
Die Rabenelfe nahm ihre Verfolgung wieder auf. Sie stand jetzt nur noch wenige Armlängen von ihm entfernt und ging betont langsam weiter auf ihn zu. »Aber sie stehen dir im Weg. Wie sollst du deine Träume verwirklichen, wenn sie dich an die Leine legen? Nein sagen? So sind sie. Nehmen uns alle Wahlmöglichkeiten. Behandeln uns wie Kinder.«
Sie stand jetzt vor ihm. Ganz nah. Er konnte sehen, dass die Feder-Haare, die ihr über den Rücken fielen, stellenweise versengt waren. Flügel wurden abwechselnd sichtbar und wieder unsichtbar. Getrocknete Asche zeichnete Muster auf ihre Arme und Wangen. Sie sah aus, als käme sie frisch vom Schlachtfeld.
»Wer bist du?«, fragte Seth.
»Du kannst mich Bananach nennen.«
Er machte noch einen Schritt und griff nach seinem Telefon. »Warum bist du hier?«
»Um dich zu Sorcha zu bringen.« Sie nickte beim Sprechen.
»Warum?« Ohne den Blick zu senken, schob er seinen Daumen über die Taste, mit der er Nialls Handy erreichte.
»Tu das nicht. Ich werde dich nicht bluten lassen, es sei denn, du machst es notwendig. Wenn du das tust, wird es notwendig.« Der Wahnsinn in ihrer Miene war plötzlich verschwunden, und das machte sie nur umso furchterregender. Sie sah ihn ernst an. »Wir haben alle Träume, Seth Morgan. Im Augenblick passen deine und meine zusammen. Du kannst dich glücklich schätzen, dass du für mich nützlich bist, auch ohne dass ich dich verletze.«
Dann ging sie an ihm vorbei in den Wagen hinein.
Seth stockte. Sein Finger lag noch immer auf der Taste, mit der er Niall anrufen könnte. »Du bietest mir an, mich zu Sorcha zu bringen?«
»Du suchst sie. Niall wird dir nicht helfen. Die Ash-Königin wird dir nicht geben, was du willst. Der Winter wird dich zurückweisen … Die Vernünftige kann dir helfen, wenn sie sich dazu herablässt. Wenn du verwandelt wirst, wird mir das helfen. Ich habe Worte geflüstert, um uns an diesen Punkt zu bringen, Seth. Habe dem Winter Geheimnisse verraten.« Sie blieb stehen und gurrte Boomer an. Die Boa lag auf einem ihrer beheizten Steine. Bananach sah Seth nicht an, als sie sagte: »Such deine Sachen für die Reise zusammen.«
Er wusste inzwischen genug, um zu begreifen, dass sie die Wahrheit sagte, jedenfalls aus ihrer Sicht.
Und aus meiner.
Alles, was Bananach sagte, entsprach der Wahrheit: Weder Ashlyn noch Niall waren bereit, ihm bei seinem Wunsch, ein Elf zu werden, zu helfen. Die Königin des Lichts dagegen konnte es ermöglichen.
Bananach stand da und machte Kussgeräusche in
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