Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
Wachen zurück.
»Wir warten hier«, sagte Quinn.
Sie nickte und ging hinein. Einige Augenblicke stand sie einfach nur da, doch die vertrauten Stimmen ihrer Klassenkameraden machten sie nervös. Das waren die Leute, die sie beschützen sollte, aber im Gegensatz zu ihren Elfen hatten sie keine Ahnung, wer sie war und dass ein drohender Krieg die Erde verwüsten könnte. Sie beobachtete sie und fing Fetzen von Gesprächen auf, die ihr inzwischen so weit weg erschienen, als wären sie in einer anderen Sprache. Dies war eine Welt, in die sie nie wirklich gehört hatte – die Welt, in der ihre Freundinnen lebten, eine Welt, in der es um Prüfungen in Wirtschaft und Schulabschlussfeiern ging, eine Welt, in der ein Streit mit dem Freund schon das Schlimmste war. Sie hielt inne. Manche Sachen waren gleich geblieben. Ob Seth wütend auf mich ist oder nicht, hat für mich immer noch denselben Stellenwert. Die Schulabschlussfeier mochte ihr nicht so wichtig sein, aber bei den Elfenfesten hatte sie genügend Gelegenheit zum Tanzen. Wirtschaft spielte auch in ihrem Elfenleben eine Rolle – in sehr praktischer Hinsicht. Und Seth … er war alles für sie.
Sie musste ihn sofort sehen. Ohne noch einen Moment zu zögern, drehte sie sich um und ging auf dem direkten Weg wieder durch die Tür hinaus, durch die sie eben erst hereingekommen war. Sie würde ihn zu Hause aufsuchen. Vielleicht hat er verschlafen. Oder er hatte keine Lust zu reden. Dann kann er wenigstens zuhören. Sie würde diese Sache nicht weiter im Unklaren lassen. Sie würde zu ihm gehen. Sie würden darüber reden. Er war lebenswichtig für sie.
Also rannte sie – durch die Straßen, über das Bahngelände und bis zu seiner Tür. Sie hörte die Wachen hinter sich, aber sie hielt nicht an, um mit ihnen zu sprechen. Sollen sie ruhig denken, dass ich impulsiv bin. Das einzig Wichtige war, dass sie Seth erreichte.
Ein paar Minuten nachdem sie die Schule verlassen hatte, drehte sie den Schlüssel in Seths Schloss und drückte die Tür auf. »Seth?«
Es brannte kein Licht, es spielte keine Musik. Der Wasserkessel stand auf dem Herd, zwei ungespülte Teetassen daneben auf dem Tresen. Es sah aus, als wäre Seth überstürzt aufgebrochen. Normalerweise ließ er seine Tassen oder Teller nicht ungespült herumstehen.
»Seth?« Ashlyn ging in den zweiten Wagen und betrat das Schlafzimmer.
Es war früh am Morgen und das Bett schon gemacht. Er war zu überstürzt aufgebrochen, um zu spülen, aber nicht zu überstürzt, um sein Bett zu machen. Sie beugte sich über das Bett und steckte ihr Ladegerät in die freie Steckdose. Als das Telefon anging, sah sie, dass sie eine Nachricht auf ihrer Mailbox hatte. Er hatte angerufen.
Sie war erleichtert – bis sie sie abhörte. »Ich gehe heute Abend weg und –« Er brach ab und Ashlyn hörte ganz schwach eine andere Stimme – ein Mädchen –, aber sie konnte nicht verstehen, was sie sagte. Dann hörte sie wieder Seth. »Und ich melde mich … später. Ich muss jetzt los. Ich weiß nicht, wann … ob … Ich muss auflegen.«
Er geht weg? Sie hörte die Nachricht noch zweimal ab. Sie ergab trotzdem keinen Sinn.
Er klingt aufgeregt.
Sie strich gedankenverloren über die neue Bettdecke, die sie zusammen ausgesucht hatten, und hörte die Nachricht erneut ab. Ashlyn hörte die Stimme, die in der Pause zwischen seinen Worten sehr leise etwas flüsterte.
Er war weggegangen.
Sie hatte ihm Geheimnisse anvertraut, die sie nie mit jemand anders geteilt hatte. Als Keenan und Donia sie verfolgt hatten, hatte sie sich Seth offenbart. Sie hatte alle Regeln gebrochen, die sie zuvor ihr Leben lang befolgt hatte und nach denen auch ihre Mutter und Großmutter gelebt hatten.
Ihr schossen Tränen in die Augen, aber sie blinzelte sie weg. »Was ist bloß passiert?«
Sie ertrug es nicht länger, in diesem Schlafzimmer zu sein, dem Raum, der nur ihnen beiden gehörte. Sie verließ das Schlafzimmer und wollte nach Boomers erwärmtem Stein sehen. Die Schlange lag nicht in ihrem Terrarium.
Boomer ist weg.
»Seth wird zurückkommen.« Ashlyn sah sich in dem leeren Haus um.
Sie wollte wegrennen, doch es war Seth, zu dem sie immer lief, wenn sie verzweifelt war – und der war verschwunden.
»Wo bist du?«, flüsterte sie.
Sie konnte sich nicht entschließen, schon wieder zu gehen. Sie wusch sich die Hände und spülte dann die paar Geschirrteile. Sie glaubte nicht ernsthaft, dass er doch noch zur Tür reinkommen würde, während
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