Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
Boomers Richtung – der sich schlängelte, wie Seth es noch nie gesehen hatte. Dann sah sie wieder zu ihm. »Stell deine Frage. Ich habe nicht viel Zeit.«
Seth sah Bananach in die Augen und fragte: »Du wirst mich auf direktem Weg zu Sorcha bringen und mir nichts tun?«
Sie korrigierte: »Ich werde dich unversehrt bei Sorcha abliefern. Du musst dich präziser ausdrücken, wenn du für mich von Nutzen sein willst. Stell dir vor, ich würde dir unterwegs von jemand anders etwas antun lassen – was dann? Präzision ist das Wesentliche bei aller Kriegskunst. Du hast zwar die nötige Unerschrockenheit, aber nicht die Präzision. Du kannst mir nur dann nützen, wenn du sowohl mutig als auch berechnend bist.« Sie taxierte ihn. »Du wirst genügen. Die Raben sagen es mir, aber du musst Sorchas Weisheit sehr aufmerksam lauschen. Sie ist zwar langweilig, aber die Vernünftige wird dir helfen bei dem, was wir brauchen.«
»Wir? Warum wir ?«
»Weil es meinen Interessen dient.« Sie öffnete Boomers Terrarium und hob die Boa heraus. »Dir weiter zu antworten tut es nicht.«
»In Ordnung.« Er schluckte und hatte plötzlich einen trockenen Mund.
Von draußen hörte er Skelley rufen: »Seth, bist du da?«
Bananach hielt einen Finger an ihre Lippen.
»Ja.« Seth öffnete nicht die Tür. Der Wachmann konnte gegen Bananach nichts ausrichten – und Seth war nicht sicher, ob er wollte, dass sie ging. Sie hatte Antworten. Sie konnte ihn zu Sorcha bringen.
Skelley schwieg. »Brauchst du Gesellschaft?«
»Nein, ich glaube, ich habe, was ich brauche.« Seth sah die Elfe an, die reglos dastand wie eine Schildwache und ihn beobachtete. »Ich musste nur einen Augenblick allein sein, um es zu finden.«
Skelley verabschiedete sich durch die geschlossene Tür, und Seth drehte sich zu Bananach um. »Ich habe keine Ahnung, woher du weißt, was ich brauche, aber ich möchte zu Sorcha.«
Die Rabenelfe nickte finster. »Ruf deine Königin an, um es ihr zu sagen. Du kannst nicht zu ihr gehen. Nicht heute Abend. Nicht mit mir. Sie würden mich nicht willkommen heißen. Und wenn sie mich sehen –« Bananach stieß einen fröhlichen Ton aus, der Seth verlegen machte, bevor sie hinzufügte: »Es wäre ein böser, blutiger Spaß, aber das kann noch warten.«
Irgendein verbleibender Rest von Logik sagte Seth, dass er allzu weit von dem Weg abgewichen war, zu dem der gesunde Menschenverstand ihm geraten hätte.
Du kannst immer noch Nein sagen , dachte er . Jetzt sofort. Sag ihr, dass du dich geirrt hast. Sag ihr, dass sie gehen soll. Vielleicht hört sie ja auf dich.
Aber dieselbe Logik erinnerte ihn daran, wie Ashlyn jeden Tag weiter von ihm wegdriftete, daran, wie hilflos er selbst den schwächsten Elfen gegenüberstand, daran, wie wenig Zeit er nur mit ihr als einer Sterblichen gehabt hatte.
Er drückte die 1 auf seiner Handytastatur.
Als die Mailbox anging, begann er: »Ich gehe heute Abend weg, und –«
Da stand Bananach plötzlich vor ihm, viel zu nah, und flüsterte: »Sag ihr sonst nichts.«
Seth sah weg. Er wusste, dass er ihr nicht vertrauen konnte, aber er gehorchte ihr. Er sprach ins Telefon: »Und ich melde mich … später. Ich muss jetzt los. Ich weiß nicht, wann … ob … Ich muss auflegen.«
Er unterbrach die Verbindung.
»Braver Junge.« Bananach wickelte Boomer von ihrem Arm und reichte ihm die Schlange. Dann öffnete sie die Tür. »Halt dich an meiner Hand fest, Seth Morgan. Die Vernünftige wartet nicht auf uns. Wir müssen los, bevor die Figuren sich bewegen.«
Seth hatte keine Ahnung, was die Rabenelfe damit meinte, doch er nahm ihre Hand und trat mit ihr in die Nacht hinaus. Er schloss die Tür ab. Einen Herzschlag später waren sie weit von dem Bahngelände und den Wachen entfernt in einer Straße, zu der man zu Fuß eine gute halbe Stunde ging. Sie bewegte sich schneller fort als Ashlyn, und Seth kämpfte gegen eine aufsteigende Übelkeit an.
Boomer hatte sich um Seths Schulter gewickelt und zitterte leicht.
»Kluges Lämmlein«, murmelte Bananach und tätschelte Seths Kopf.
Mehrere Raben flatterten durch die zerbrochenen Fenster in das Gebäude vor ihnen. Sie legten ihre Köpfe schief, um ihn zu beobachten. Bananach neigte ihren Kopf auf die gleiche Weise, synchron mit den schwarzen Vögeln.
Seth unterdrückte einen Brechreiz. »Wo ist Sorcha? Ich muss die Königin des Lichts sehen.«
»Im Verborgenen.« Bananach schlenderte davon, und er lief hinter ihr her.
Sie hatte ihm eine Antwort
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