Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
Schatten fuhr über seine Augen. »Biete es mir nicht zum dritten Mal an. So kannst du mich nicht manipulieren.«
Ani trat neben ihn – nicht um sich zwischen sie zu stellen, sondern um Devlin näher zu sein. »Wollt ihr mir vielleicht mal erklären, was los ist?«
»Genau das will er ja nicht«, murmelte Seth. »Er hat zu viel Blut verloren, aber mein Bruder ist ungewöhnlich stur.«
»Dein wer ? Was?« Ani sah sie abwechselnd an. »Ich blicke von Minute zu Minute weniger durch, Jungs.«
Devlin schluckte mühevoll. »Muss das jetzt sein?«
»Wenn du verblutest, was nützt du uns dann noch?« Seth redete sanft auf Devlin ein, behielt dabei aber die Umgebung weiter genau im Blick.
»Sobald wir das Elfenreich erreicht haben, Bruder «, murmelte Devlin.
Rabbit und Ani wechselten einen Blick. Rabbit zuckte die Achseln und fragte dann: »Und wo sind wir hier? An der Pforte zum Elfenreich?«
»An einer von ihnen, ja.« Devlin streckte seinen blutenden Arm in die Luft, wie um nach etwas zu greifen, das Ani nicht sehen konnte. Sein Blut zischte, als hätte ihn irgendetwas in der Luft verbrannt. Er schloss kurz die Augen – nicht lange genug, um sein Leiden offen zu Tage treten zu lassen, aber ausreichend, um den Schutzschild um seine Emotionen herabzusenken. Ani geriet fast ins Straucheln angesichts der Flut von Schmerz und Angst, die über sie hinwegspülte.
Wie aus heiterem Himmel erschien vor ihnen plötzlich ein Schleier. Eine Pforte! Ani war irgendwie immer davon ausgegangen, dass sie das Tor zum Elfenreich erkennen würde, wenn sie daran vorbeikam.
»Dev?«
Er sah sie an – und stürzte dann nach vorn in den Schleier, der sich wie silbernes Mondlicht zwischen Himmel und Erde ergoss. Die Oberfläche kräuselte sich bei Devlins Eintauchen und das schimmernde silberne Licht geriet in Bewegung. Fast genauso schnell kam es wieder zur Ruhe. Der Schleier sah aus, als sei er flüssig, doch sein schwerer Fall glich dem dichter Vorhänge.
Ani tauchte nach Devlin hinein. Sie glitt ohne die Angst und den Zweifel, die sie erwartet hatte, von der Welt der Sterblichen ins Elfenreich. Nachdem Seth und Rabbit ihr gefolgt waren, fiel der Schleier hinter ihnen wieder zurück in seine Ausgangsposition. Der Lichtschimmer hielt noch einen Moment an, dann war er verschwunden, als wäre dort nie ein Eingang gewesen.
»Seth?« Ani sah zu ihm auf. »Ich war noch nie hier und … Hilfe?«
»Warte, eine Minute.« Seth erschauderte und wirkte ebenso schmerzerfüllt wie Devlin zuvor.
Sie konnte zusehen, wie er sich verwandelte. In einen Sterblichen. Plötzlich kauerte Ani ohne eine starke Elfe, die an ihrer Seite kämpfen konnte, auf dem Boden des Elfenreichs. Rabbit war eher sterblich als nicht-sterblich, und obwohl auch er des Kampfes mächtig war, war das nicht gerade seine größte Begabung. Devlin war kaum noch bei Bewusstsein, und Seth jetzt wieder sterblich.
»Na, das fängt ja toll an«, murmelte Ani.
»Und es wird noch schlimmer, wenn wir ihn nicht aufpäppeln.« Seth setzte sich neben Ani. Er zitterte noch immer und schwitzte, wirkte aber zumindest nicht mehr so, als müsste er sich jeden Moment übergeben. »Vertraust du mir?«
Tue ich das? Er gehörte nicht zum Hof der Finsternis, aber Rabbit vertraute ihm. Der König der Finsternis vertraute ihm. Er gehört nicht zum Rudel . Die sterbliche Geliebte des Königs der Finsternis, Anis und Tishs Freundin Leslie, vertraute ihm. Er gehört zwar nicht zu uns, aber er hat mit der Meute gekämpft. Und er will Bananachs Tod . Devlin hatte ihm vertraut.
»Fürs Erste ja«, antwortete sie also.
»Das genügt. Uns bleiben nur ein paar Minuten, bis sie kommt.« Er zeigte auf ihr Sgian Dubh. »Kann ich das nehmen?«
»Ausleihen, ja.«
Seine Zunge spielte mit seinem Lippenring. »Okay, verstanden. Kann ich das ausleihen? «
Sie reichte ihm das Messer mit dem Griff voran.
»Er braucht Blut, Ani. Das war es, was er vor dir nicht zugeben wollte.«
»Blut?« Sie hatte beobachtet, wie die Ly Ergs Blut durch ihre Handflächen absorbierten, hatte gesehen, wie ihre eigene Familie Blut mit Tinte vermischte und sich damit kunstvoll die Haut verzierte. Der Gabriel trug immer das Blut seines Königs – oder seiner Königin – in der sich bewegenden Oghamschrift auf seinem Unterarm.
Blut nährt die Magie, flüsterte es in der Luft. Blut verpflichtet und Blut verspricht .
»Devlin ist auf Blut angewiesen, um zu überleben«, bestätigte Seth. »Er braucht schon seit jeher das
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