Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
»Willst du mir sagen, was ich mit meinem Hof zu tun habe, Devlin?«
Auch Irial auf der anderen Seite des Raums spannte seinen Körper an. Er bewegte sich zwar nicht vom Fleck, doch Devlin nahm die Veränderung trotzdem wahr. Er wusste, welche Hoffnung dahinterstand. Niall hatte nur widerstrebend den Thron bestiegen. Jahrhunderte nachdem Irial ihm seinen Hof zum ersten Mal angeboten hatte, war Niall schließlich doch noch der König der Dunkelelfen geworden.
»Ich nehme weder irgendwelche Anweisungen entgegen noch suche ich deinen Rat. Ich habe bereits einen Ratgeber.« Nialls Blick wanderte kurz zu Irial. »Sorchas neueste Unpässlichkeit interessiert mich nicht besonders.«
»Würdest du diese Welt opfern?«, fragte Devlin.
Niall sah ihn verächtlich an. »Sorcha hat meinen Freund zu sich geholt, hat ihn zu ihrem Untergebenen gemacht.«
»Ihrem Erben . Seth ist weit mehr als ein Untergebener.« Devlin ließ seine eigene Wut noch immer nicht durchklingen, aber sie war da. Trotz seiner ewig anhaltenden Treue hatte seine Mutter-Schwester-Königin einen praktisch Fremden zu ihrem Erben gemacht.
»Ich war auch schon mal Erbe eines Hofs. Das ist nicht in Stein gemeißelt.« Niall machte eine Geste in Irials Richtung. »Er hat seinen Hof noch mehr als neun Jahrhunderte behalten, nachdem er mich zu seinem Erben erklärt hat.«
»Du hast abgelehnt«, erinnerte Irial ihn. Er erhob sich und nahm hinter Niall eine unterstützende Haltung ein. »Wenn du dich erinnerst, Niall, warst du nicht bereit, mich zu beerben.«
»Aber sieh, wo ich jetzt sitze.« Niall wagte es nicht, einen Blick nach hinten zu werfen, während er sprach.
»Seth ist ihr Erbe. Er ist Prinzgemahl der Sommerkönigin, Freund der Winterkönigin und Bruder des Königs der Finsternis. Er ist wegen Sorchas Handlungsweise nicht in Gefahr. Sie hat ihn von der Sterblichkeit befreit, ihm die Stärke eines Königs verliehen und noch andere Dinge, die zu enthüllen mir nicht ansteht.« In diesem Moment war Devlin sich nicht sicher, über wen er sich mehr ärgerte.
»Sie hat ihn zu ihrer Schachfigur gemacht«, sagte Niall.
Devlin argumentierte nicht dagegen an, konnte nichts entgegensetzen. Sorcha hatte die Folgen ihrer Entscheidung zweifellos bedacht, als sie den Sterblichen in den Elfenstand erhob. Was sie jedoch außer Acht gelassen hatte, war, wie sehr sie das alles selbst verändern würde. Der Königin des Lichts war eine Fehleinschätzung unterlaufen. Die Kosten dafür mussten auf beiden Seiten des Schleiers bezahlt werden.
»Komm zurück ins Elfenreich«, wiederholte er.
»Nein.«
»Sie braucht einen Hof, der ihren ausbalanciert. Sie muss im Elfenreich festgehalten werden.« Devlins Wut trat nun offen zutage: Seine Stimme vibrierte förmlich.
»Der Hof der Finsternis gehört in diese Welt. Ich kenne meinen Hof, Devlin. Ich weiß, was das Beste für ihn ist. Jede einzelne meiner Elfen ist mit mir verbunden. Ich spüre sie, aber«, Niall blickte zu Irial, »es ist die Pflicht eines Königs, das Wohlergeben seines Hofs über alles zu stellen. Persönliche Wünsche müssen zurückstehen. Alte Freundschaften und die Sorge um andere bestimmen die Entscheidungen des Königs der Finsternis nicht.«
»Du würdest Sterbliche und Elfen opfern? Wenn sie in eure Welt kommt, wird genau das passieren.«
»Wenn sie herkommt, wird die Zwietracht meinem Hof nicht schaden. Ihn ins Elfenreich zu verlagern, sehr wohl.« Niall hob den Blick und sah Devlin direkt an. »Der Hof der Finsternis bleibt hier.« Seine Worte ließen alle Schatten im Raum erzittern.
»Aber das Elfenreich braucht den Hof der Finsternis!« Devlin klang noch wütender. »Sorcha braucht einen Hof, der ein Gegengewicht zu ihrem bildet.«
»Devlin?« Ani näherte sich ihm. Mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck sah sie zuerst ihn, dann Niall und Irial an. »Es ist wirklich so etwas nötig, nicht wahr?«
»Ja, das ist der Grund, weshalb wir hier sind … aber dein König«, Devlin schaute Niall an, »ist nicht bereit zu kooperieren.«
Ani trat zwischen Devlin und Niall. Sie streckte ihren Arm nach Irial aus und drückte seine Hand. Er lächelte sie an, sagte aber nichts.
»Früher hatte das Reich zwei Höfe«, begann sie. »Der Hof der Finsternis verließ das Elfenreich und im Lauf der Jahrhunderte entstanden neue Höfe; diese gingen auf die stärksten ungebundenen Elfen zurück und sollten die Bedürfnisse der Elfen befriedigen, die in der Welt der Sterblichen lebten. Wenn der Hof der
Weitere Kostenlose Bücher