Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
Aus dem Augenwinkel sah er, dass das Auto sich in ein riesiges Reptil verwandelt hatte. Das Ross und alle Elfen waren für die Sterblichen auf dem Parkplatz unsichtbar.
»Komm schon.« Sie wandte ihre Augen nicht von den Ly Ergs ab, aber ihr Tonfall ersetzte einen wütenden Blick. »Es sind doch bloß zwei. Du kümmerst dich um sie .«
»Einen.« Er behielt die Ly Ergs genau im Auge, sah die klar erkennbare Entspannung ihrer noch nicht kampfbereiten Muskeln, den noch nicht beschleunigten Puls. Sie waren trainierte Kämpfer – im Gegensatz zu der Distelelfe, die auf Distanz blieb und nur zuschaute.
»Du bist genauso schlimm wie Irial«, murmelte sie, dann stürzte sie sich auf einen der Ly Ergs, und Devlin war hin- und hergerissen zwischen seinen Instinkten und dem ungewohnten Bedürfnis, ihr zusehen zu wollen. Die Vernunft siegte.
Oder vielleicht auch die Lust auf Zwietracht.
Wenn es ans Kämpfen ging, beherrschte ihn keine Logik mehr. Dann akzeptierte er beide Seiten seines Erbes: Die Präzision, mit der er seine Gegner eliminierte, und das Vergnügen, mit dem er Blut vergoss, waren im Gleichgewicht.
»Komm und hol’s dir«, provozierte ihn Ani. In ihrer Hand lag ein langes Messer. Sie schritt – ein zweites, kurzes Messer in der anderen Hand – auf ihr Ziel zu.
Devlin spähte zum Waldrand. Weitere Elfen wurden zwischen den Bäumen sichtbar. Er wollte es Ani sagen, wünschte sich kurz, dass er mit ihr reden könnte wie ihr Ross, doch als er zu ihr blickte, warf sie den Kopf in den Nacken, nahm die Witterung auf und grinste. Sie war mehr Hundselfe als irgendetwas anderes. Seine Augen versorgten ihn mit denselben Informationen wie Ani ihr Geruchssinn.
»Noch mehr Spaß, Dev«, rief sie, während sie erneut versuchte, den Ly Erg aufzuspießen, der vor ihr stand. »Dann kriege ich doch mindestens zwei.«
Devlin packte den Söldnerelf vor sich und schnitt ihm die Kehle durch. »Wir müssen los.« Devlin sah mindestens vier weitere Elfen von links herankommen. Die Distelelfe drehte sich um und rannte weg – was ihn eher nachdenklich stimmte, als dass er sich darüber freute. Selbst wenn die Elfen nicht auf Bananachs Geheiß da waren, würde die Flüchtige ihr Bericht erstatten. Er musste Ani weiter wegbringen.
Das Ross biss den Ly Erg und hielt ihn fest. Ani stürzte vor und durchtrennte die Muskeln am Knie des Elfs, was ihn zu Fall brachte. Als sie zurücktrat, war das Ross plötzlich wieder ein Auto und beide Türen standen offen. Ohne einen weiteren Blick auf den Ly Erg sprang Ani auf den Fahrersitz und warf Devlin einen Blick zu. »Wir hätten sie alle besiegen können.«
Er stockte, sah sie prüfend an und begriff, dass sie genauso gut war wie ein junger Gabriel. Kurz fragte er sich, ob sie es hätten tun sollen, ob sie die Distelelfe hätten verfolgen sollen. »Kann sein. Du bist eine würdige Partnerin, Ani.«
Ihr Grinsen war berauschender als der Kampf. »Ja, da hast du verdammt Recht.«
Zwanzig
Seit dem Kampf an diesem Morgen war Ani ganz kribbelig. Sie rutschte auf ihrem Sitz herum, tippte mit den Händen aufs Lenkrad und konnte einfach nicht stillsitzen. In engen Räumen eingeschlossen zu sein, hatte sie noch nie ertragen können. Und wenn sie nervös war, ging das noch weniger.
Möchtest du anhalten?, fragte das Ross.
Damit wird er nicht einverstanden sein, murmelte Ani. Devlin saß stumm und unnahbar neben ihr.
Einige Wegbiegungen später befanden sie sich auf einer kleineren Straße. Devlin war immer noch nicht aus seiner inneren Versenkung aufgetaucht. Seine Augen waren geschlossen.
Aus dem Motor drang ein Klopfen, als das Ross am Straßenrand hielt. Neben ihnen erstreckte sich ein Wald in die Dunkelheit. Tu so, als gäb’s ein technisches Problem, schlug das Ross vor. Du brauchst Auslauf .
»Was machst du?« Devlin schlug die Augen auf und sah sie misstrauisch an.
»Anhalten.« Sie öffnete die Tür und stieg aus. Weit und breit waren keine Autos in Sicht. Der Mond stand hoch am Himmel, nur Tiere waren in der Dunkelheit zu hören.
Ani holte tief Luft.
Devlin öffnete seine Tür. »Ani?«
Sie reckte sich.
»Ani«, wiederholte er.
»Du kannst entweder mitkommen oder hierbleiben. Ich bin gleich wieder da«, versicherte sie ihm und flitzte in den Wald hinein.
Sie war schon eine Ewigkeit nicht mehr gerannt, und wenn, dann hatte Gabriel immer dafür gesorgt, dass sie von Hunden umgeben gewesen war. Sie hatte ihren Kurs nicht selbst bestimmen können. Ani war noch nie in ihrem
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