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Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht

Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht

Titel: Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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Sie ist …«
    Der Boden schien ihr entgegenzukommen, als sie an der Wand herabrutschte. Ihr drehte sich der Magen um. Die Welt fühlte sich verkehrt an. Alles, was einen Sinn gehabt hatte, war plötzlich nicht mehr da.
    »Tish ist tot? Meine Tish ist tot?« Ani sah zu ihm auf. »Wann?«
    »Gestern Nacht.« Irial hockte sich vor sie.
    »Wie?« Sie schob alle Emotionen von sich weg – nicht aus freiem Willen, sondern weil es notwendig war. Ihre Gefühle drohten sie zu ersticken. Sie zitterte, so stark war die Wut in ihr. Wut ergab Sinn und vertrieb die Tränen. Ihre Haut juckte, als wäre sie über und über mit krabbelnden Tieren bedeckt. Es schmerzte fast zu sehr, um den Zorn überhaupt aufsteigen zu lassen.
    Konzentrier dich.
    Sie atmete ein paar Mal tief durch, sah Irial an und fragte: »Wie hat sie … Wie ist es passiert?«
    »Es ging ganz schnell«, wich Irial aus. »Können wir es erst mal dabei belassen?«
    Ani starrte ihn an. Ihr ehemaliger König, ihr Beschützer in all den Jahren, war zweifelsohne ebenfalls am Boden zerstört – und wurde von Schuldgefühlen geplagt.
    »Ja, erst mal«, flüsterte sie. Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, doch sie zu vergießen bedeutete, dass Tish tatsächlich tot war.
    Und das kann nicht sein.
    Ani stand auf. »Ich muss zu Rabbit.«
    »Ihm geht’s gut. Dein Haus ist heute Nacht der sicherste Ort in der ganzen Stadt, das verspreche ich dir.« Irial strich ihr die Haare aus dem Gesicht. »Es tut mir leid, Ani. Wir dachten, wir hätten genug Wachen aufgestellt, und sie hatte bis dahin nichts versucht. Es waren Hunde hier, und wenn Tish nicht …«
    »Nicht was?«
    »Sie ist aus dem Haus geschlüpft.« Irial machte ein finsteres Gesicht. Ob aus Ärger über Tish oder sich selbst, konnte Ani nicht sagen. »Man sollte meinen, dass die Wachen ihr leicht auf den Fersen hätten bleiben können, und … Ich weiß nicht, warum sie es gemacht hat.«
    »Sie wollte nicht eingesperrt sein. Sie hat das leichter ertragen als ich, aber nach ein paar Tagen … Sie war immer noch Gabriels Tochter und …« Ani erzitterte bei dem Gedanken, es ihrem Vater sagen zu müssen. »Weiß er es?«
    »Ja. Die ganze Meute weiß Bescheid.« Irial sah sie an, als wollte er etwas sagen, das alles wieder gutmachte, aber es gab keine Worte dafür. »Ani …«
    Sie blickte ihn ebenfalls an, wollte ihn aber nicht trösten, ihn nicht hören, das Gespräch nicht fortsetzen.
    »Geh bitte und sieh nach Rabbit, ja? Ich brauche … ich brauche …« Ani konnte den Satz nicht beenden. Sie schaute an Irial vorbei zu Devlin.
    Er kam durch den Raum zu ihr.
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust, aber das Zittern ließ nicht nach.
    »Bananach hätte mich töten müssen, um an Ani heranzukommen.« Devlins Stimme war ganz ruhig. »Und dass mich jemand tötet, ist sehr unwahrscheinlich.«
    Irial blickte von einem zum anderen, dann ging er.
    Die Stille im Raum war jetzt so viel bedrückender als zuvor. Es herrschte eine einzige große Leere. Tish würde nie wieder ins Studio gelaufen kommen. Sie würde nie mehr mit ihr darüber streiten, welche Musik sie spielen sollten. Sie würde nie wieder mit Ani schimpfen. Sie würde gar nichts mehr tun.
    Bananach hatte sie getötet.
    Anis Herz fühlte sich an, als wollte es stehenbleiben, und einen Moment lang wünschte sie sich genau das. Ich hätte es sein sollen . Tish war fort, und Ani blieb ohne sie zurück.
    Ani blickte Devlin an. »Ich will, dass sie dafür mit dem Leben bezahlt.«

Neunundzwanzig
    Devlin fand keine Worte für Ani, als sie schweigend vor ihm stand. Er wusste, dass er ihr in diesem Moment Trost hätte spenden sollen. Die Logik beharrte darauf, dass es etwas geben musste, was er sagen konnte – aber es gab nichts. Seine Schwester hatte ihre Schwester umgebracht.
    Ani weinte nicht. Sie sah ihn mit trockenen Augen an. »Hilfst du mir? Ich muss das … in Ordnung bringen.«
    »Das kann man nicht in Ordnung bringen .« Könnte er doch noch mehr sagen, irgendwelche Worte, irgendein Versprechen! Der Krieg zerstörte Leben, Familien, Hoffnung. Wenn sie keinen Weg fanden, Bananach unschädlich zu machen, war Tish wohl lediglich das erste Familienmitglied von Ani, das ihr zum Opfer gefallen war.
    Worte waren sinnlos, also zog Devlin sie in seine Arme.
    Die Tränen, die zu vergießen sie sich geweigert hatte, liefen ihr nun in Strömen über die Wangen. »Ich würde das alles ungeschehen machen, wenn ich könnte. Wenn du mich hättest

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