Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
wahren.«
Irial blickte auf, und Devlin sah ihn an.
»Um das übergeordnete Gleichgewicht zu wahren, wird sie sogar gegen ihre eigenen Interessen verstoßen.« Er wandte den Blick nicht von Irial ab, als er gestand: »Selbst wenn es im Interesse des Hofs ist, der ihr Gegenstück bildet, und selbst wenn ihr Gegenstück das Elfenreich verlassen hat, um unter Sterblichen zu leben. Der Hof der Finsternis balanciert den Hof des Lichts aus, aber Sorcha braucht mehr : Seit Beginn der Ewigkeit ist ihr wahres Gegenwicht immer Bananach gewesen.«
»Ganz schöne Scheiße, oder?« Ani lehnte sich zurück, ließ seine Hände jedoch nicht los. »Bananach möchte, dass ich Seth und Niall töte – und, ach ja, sie will mich umbringen … und es gibt verdammt noch mal nichts, was wir tun können, ohne alle zu töten.«
Mehrere Sekunden lang sprach keiner ein Wort: Es gab nichts zu sagen.
Ani ließ schweigend Devlins Hand los und verließ das Zimmer.
Als sie den Flur hinuntergegangen war, begann Irial: »Würde Sorcha Ani verstecken?«
Devlin schüttelte den Kopf. »Sorcha hat mir vor Jahren befohlen, Ani zu töten.«
»Weil sie gesehen hat, dass Ani … was tun würde?«, fragte Irial.
»Diese Information wurde mir vorenthalten.« Devlin schaute den Flur hinunter. »Ich kann nicht zulassen, dass Ani meine Schwester tötet. Ebenso wenig, wie ich zulassen kann, dass meine Schwester Ani tötet.«
Irial seufzte und senkte wieder den Kopf. »Also versuchen wir, Ani, Rabbit und Niall am Leben zu erhalten, und hoffen, dass die Kriegselfe eine andere Art der Belustigung findet.«
Devlin empfand eigenartige Schuldgefühle, als er die ohnehin schon komplizierte Situation weiter erschwerte: »Ich glaube, es wäre … katastrophal, wenn Seth getötet würde. In Wahrheit geschieht vielleicht sogar eine Katastrophe, wenn Seth nicht bald ins Elfenreich zurückkehrt. Sorcha schläft, offenkundig, weil sie Seths Abwesenheit betrauert.«
»Nun, das ist aber nicht gerade im Sinne der Ordnung, oder?«, sagte Irial.
»Irgendetwas stimmt nicht mit meiner Schwester.« Devlin beobachtete, wie Irial mehrere Tassen mit Kaffee füllte. In eine gab er zusätzlich Sahne und das einzelne Zuckerstück, das Ani nahm.
»Wir werden uns was überlegen.« Irial bedachte Devlin mit einem wissenden Blick, der ihn daran erinnerte, dass er vergessen hatte, seine Gefühle zu verbergen.
»Ich …«, begann Devlin. Aber da waren keine Worte; keine, die er aussprechen konnte. Sein Neid darüber, wie gut Irial Ani kannte, seine Sorge um sie, seine nutzlosen Gefühle – nichts davon gehörte an den Hof des Lichts. Für die Dauer eines Herzschlags blickte Devlin Irial einfach nur an und wartete auf eine spöttische Bemerkung, eine Zurechtweisung oder einfach nur eine Erinnerung daran, dass er Anis nicht würdig sei.
Doch Irial schob ihm Anis Kaffee hin. »Sie braucht dich jetzt. Geh.«
Devlin stand auf, nahm die Tasse – und stockte, als er die Schreckenswelle spürte, die Gabriels Ankunft verhieß.
Dreißig
Ani hatte alles gehört und gespürt, was Devlin Irial anvertraut hatte. Es linderte weder ihre Trauer noch dämpfte es ihre Wut, aber es war tröstlich zu wissen, dass sie nicht allein war. Devlin würde Bananach nicht töten, aber Ani auch nicht verlassen, und sie brauchte jede starke Elfe, die sie kriegen konnte. Sie durfte Rabbit nicht verlieren.
Oder Irial.
Oder Gabriel.
Oder Devlin.
Sie hörte, dass Gabriel angekommen war – in Begleitung von Niall und Seth. Sie wollte sie nicht alle auf einmal sehen, weshalb sie in Rabbits Zimmer ging und auf Gabriel wartete.
Rabbit saß verzweifelt auf der Bettkante. Er hatte das Gespräch in der Küche ohne Zweifel mitgehört und wusste genauso gut wie sie, dass ihre Situation zunehmend verfahrener wurde. Sie sprachen nicht miteinander. Stattdessen warteten sie – und lauschten.
Irials und Nialls Stimmen waren leise, aber sie waren da. Dass jetzt sowohl der ehemalige als auch der gegenwärtige König der Finsternis bei ihnen im Haus waren, tröstete sie ebenso wie der Klang von Gabriels Stiefeln, als er durch den Flur zu ihnen kam.
»Es tut mir leid«, war alles, was er sagte, als er ins Zimmer trat.
»Du hast versagt.« Rabbit sah Gabriel mit einem Groll an, der sich im Gesicht des Vaters widerspiegelte.
Gabriel senkte den Blick trotz der Provokation nicht. »Die Meute wird sie – und dich – so gut beschützen, wie sie kann.«
Ani schüttelte den Kopf. »Da wir die Kriegselfe nicht
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