Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
packte ihn an der Kehle. Er drückte nicht zu. Jedenfalls nicht sehr. Niall war in weitaus besserer Verfassung als bei Seths Ankunft, aber noch immer außer sich vor Wut.
»Ich habe mit dir gekämpft; ich will Bananachs Tod. Wir stehen auf derselben Seite, Bruder«, begann Seth. Mit Nialls Händen um seine Kehle tat es weh zu sprechen. »Niall …«
Niall drückte fester zu. »Irial ist tot.«
»Und wir können ihn rächen«, versprach Seth.
»Wir können sie nicht töten. Devlin hat gesagt …«
»Die Dinge haben sich geändert.« Seth umfasste Nialls Handgelenk, doch er versuchte nicht, den König gewaltsam dazu zu bringen, ihn loszulassen. Vielmehr drückte er sein Handgelenk als Zeichen der Sympathie. »Hörst du mir bitte mal zu?«
»Warum?« Niall zog die Hand weg, um Seths Berührung auszuweichen.
»Weil ich etwas weiß, was Devlin nicht wusste.« Seth trat einen Schritt zurück. »Ich bin mir sicher: Bananach kann sterben.«
»Ohne Sorcha und uns alle gleich mit umzubringen?« Niall schüttelte den Kopf. »Irial hat mir seinen Hof anvertraut. Ich werde meine Elfen nicht im Stich lassen oder ihren Tod riskieren, nur weil du glaubst, dass es geht.«
Seth verkniff sich die Bemerkung, dass er sie jetzt schon im Stich ließ. »Ich glaube es nicht nur. Ich kann die Fäden der Zukunft sehen.«
Die Freundlichkeit, die wieder in die Stimme des Königs der Finsternis zurückgekehrt war, verschwand. »Seit wann?«
»Seit ich eine Elfe geworden bin.«
Die Emotionen, die nun auf Nialls Gesicht traten, waren ein schrecklicher Anblick, doch Seth schaute nicht weg. Der erste Schreck wich heller Empörung. Dann erfüllte Schmerz Nialls Augen, und er sagte: »Du hättest Irial retten können.«
»Nein, das ging nicht.« Seth streckte die Hand nach ihm aus, doch Niall wich ihm aus.
»Du wusstest, dass er sterben würde, dass Bananach Tish töten und Irial niederstechen würde.« Schatten schossen durch den Raum, als Nialls Wut erneut aufflammte. »Du hast gesehen, dass sie Irial vergiften würde. Du hast nichts gesagt, obwohl du es wusstest .«
»Ja, ich wusste es«, gestand Seth. »Aber ich konnte nichts dagegen unternehmen. Irials Tod hat zur Bildung des Hofs der Schatten geführt – welcher den Hof des Lichts nun im Gleichgewicht hält, so dass das Elfenreich versiegelt werden konnte.«
»Das Elfenreich ist verschlossen?« Niall sah ihn fragend an. »Seit wann das?«
»Seit drei Tagen.« Seth schüttelte den Kopf. »Devlin und Ani und Rae – sie ist …«
»Ich kenne sie«, unterbrach Niall ihn. »Sie haben mich im Traum besucht und …« Er brach ab und machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Niall?«
Der König der Finsternis blinzelte. Dann trat er einen Schritt zurück und zog ein Zigarettenetui und ein Feuerzeug aus seiner Tasche. Schweigend nahm er eine Zigarette heraus, steckte sie an und blies den Rauch aus. »Das Elfenreich ist also versiegelt, Seth? Und du hast Tode vorhergesehen, aber nicht darüber gesprochen? Du hast deine Wünsche über meinen – über diesen Hof gestellt?«
Seth nickte.
»Du bist wirklich voller Überraschungen, was, Kleiner?« Niall lächelte, was unter den gegebenen Umständen ein äußerst seltsamer Anblick war.
»Nein, eigentlich nicht«, antwortete Seth.
Der König der Finsternis blickte ihn an, nicht als trauernder Elf und auch nicht als Freund, sondern als berechnender Elfenkönig. »Sag mir, Seher, kennst du meine Zukunft? Kannst du mir sagen, was ich als Nächstes tun werde?«
»Nein, nicht direkt.«
Abgrundwächter aus Schatten nahmen zu beiden Seiten von Seth Gestalt an, und er konnte nur hoffen, dass er nun nicht sterben musste. Es gab auf dieser Seite des Schleiers niemand anderen, der den Hof der Finsternis ausbalancieren konnte, und wenn Niall sich in Gegenwart eines Repräsentanten des Hofs des Lichts so benahm, mochte Seth sich gar nicht ausmalen, was er in den Tagen angerichtet hatte, die seit dem Versiegeln des Elfenreichs bereits vergangen waren.
Ich bin nicht sicher, wie ich ihn ausbalancieren kann – oder ob ich es überhaupt kann.
»Du hast dein Wissen für dich behalten, weil das eine Chance mit sich brachte, Bananach zu töten.« Der König der Finsternis nahm einen langen Zug von seiner Zigarette.
Seth wählte seine Worte mit Bedacht: »Es tut mir leid, dass du jetzt trauerst, aber Irial hat eine Wahl getroffen. Diese Wahl hat Ereignisse in Gang gesetzt, die das Elfenreich nun schützen. Wenn Bananach ins Elfenreich gegangen
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