Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
leise.
In Nialls Augen erschienen schwarze Flammen. »Ruhe!«
Doch Seth fuhr fort: »Irial hat sich selbst geopfert. Er hat diese Entscheidung getroffen.«
»Nein. Du hast eine Entscheidung getroffen, nämlich zu verheimlichen, was du wusstest, und damit etwas verletzt, was mir gehörte. Für deine Verbrechen bleibst du hier zu meiner Verfügung.« Nialls Ausdruck pendelte zwischen Schmerz und Wut. »Deine Taten haben den Hof der Finsternis geschwächt und du wirst Wiedergutmachung leisten.«
»Ich würde auch bleiben, wenn ich nicht dein Gefangener wäre«, erbot sich Seth. »Ich werde dir nichts sagen, was zu wissen dir nicht ansteht, aber ich werde dir sagen, was du wissen musst, um ihn zu rächen. Wir wollen beide das Gleiche. Sie kann sterben, Bru…«
Der Käfig verschwand, und Seth plumpste zu Boden.
Niall packte Seth und zog ihn hoch. »Führ mich nicht in Versuchung, Seth.«
Dann schleuderte er ihn gegen die Wand und sagte im Weggehen: »Werft ihn in eine Zelle. Am besten die schlimmste, die wir haben.«
Einundzwanzig
Es war mitten am Vormittag, als Ashlyn im offenen Teil des Lofts bei einer Tasse Tee saß. Die Sommermädchen und die Wachen hatten sich daran gewöhnt, dass sie sich zu Tagesbeginn ein bisschen Zeit für sich nahm.
Der Sommerkönig jedoch kannte dieses morgendliche Ritual noch nicht, da er fast ein halbes Jahr weg gewesen war. Gerade als sie den Mund öffnen wollte, um ihm zu erklären, dass sie noch nicht bereit war, sich um irgendetwas zu kümmern, beugte er sich herab und versiegelte ihre Lippen mit einem sengend heißen Kuss.
Er nahm ihre Hände und zog sie auf die Füße. Als er einladend seine Lippen öffnete, vermischte sich ihrer beider Sonnenlicht zu einem elektrisierenden Strom.
Doch sie löste sich und fragte: »Was tust du da?«
»Gewinnen, hoffe ich.« Keenan drehte ihr den Rücken zu, ging zur Tür und schnappte sich Eliza.
Er zog das Sommermädchen ins Zimmer, und weitere Hofangehörige kamen hinterher. Innerhalb kurzer Zeit war der Raum voller lächelnder Elfen.
Keenan tanzte mit dem kichernden Sommermädchen Walzer durchs Zimmer und ließ es dann in die Arme eines anderen Sommermädchens wirbeln. Während die beiden wegtanzten, ergriff er die Hand eines weiteren Mädchens, zog es in seine Arme und neigte es nach hinten. Die Weinranken, die über ihren Körper glitten, vibrierten. Ihre Blätter reckten sich dem Sommerkönig entgegen, während er ihr einen Kuss auf die Wange drückte.
Vor Ashlyns Augen tanzte er weiter lächelnd mit den Sommermädchen durchs Loft. Die von seiner Haut ausgehenden Sonnenstrahlen tauchten den Raum in gleißend helles Licht. Zusammen mit meinen. So sollte es am Sommerhof sein. Und deshalb tanzt er. Für seinen Hof sah das alles nach fröhlichem Leichtsinn aus, und zu einem gewissen Grad stimmte das auch. Ein weiterer, ernsterer Aspekt dieses ganzen albernen Durcheinanders war, dass es zu seinem Job gehörte: Der Sommer hatte vergnüglich zu sein.
Keenan ertappte sie dabei, wie sie ihn beobachtete, und die Intensität seines Blickes ängstigte sie beinahe. Fast jede andere hätte es aufregend gefunden, mit einer solchen Leidenschaft angesehen zu werden. Das ist es auch, aber ich möchte, dass Seth mich so anschaut. Wenn Seth wahrhaft verschwunden wäre, hätte sie mit Keenan ihr Glück finden können, doch es wäre nie an das herangekommen, was sie für Seth empfand.
Aber die Sommerkönigin konnte tun, was der Sommerkönig all die Jahrhunderte hindurch getan hatte: Sie konnte alle persönlichen Sorgen beiseiteschieben und ihre Königin sein. So hatte sie es während der letzten Monate gehalten. Und das würde sie weiterhin tun. Lächelnd ergriff Ashlyn die Hände des gerade vorbeiwirbelnden Sommermädchens. »Tanz mit mir, Siobhan.«
Siobhan lächelte und rief: »Warum spielt denn keine Musik?«
Da setzte von irgendwoher Musik ein. Zuerst glaubte Ashlyn, sie käme aus einer Stereoanlage, doch dann begriff sie, dass einige Wachen zu singen begonnen hatten. Auch sie kamen in den Raum, und einige trommelten gegen die Wand und auf einen Tisch, den sie dazu hochkant stellten. Als die Nymphensittiche über ihren Köpfen in den Gesang einstimmten, lachte Ashlyn auf vor lauter Freude.
So soll es sein. Mein Hof soll fröhlich sein.
Siobhan ließ sie auf Keenans ausgestreckten Arm zuwirbeln, und Ashlyn lächelte ihn an.
Er zog sie mit sich nach oben auf den Couchtisch. »Es ist ihnen gut ergangen unter deiner Aufsicht. Trotz deiner
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