Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
war in ein zerrissenes graues Tuch gewickelt, das hinter ihr herschleifte wie die Schleppe eines Abendkleides. Rote Flecken prangten deutlich sichtbar auf dem Stoff und erinnerten an scharlachrote Mohnblumen in einem Aschefeld.
Die Elfe ließ keinerlei Aggression erkennen, weshalb die Winterkönigin sich zwang, sich weiter auf das offensichtlichere Problem zu konzentrieren. Sterbliche wurden attackiert; ihre Elfen waren in Gefahr; und auch sie selbst war weit davon entfernt, in Sicherheit zu sein.
»Bringt die Sterblichen weg«, rief sie ihren Elfen zu, doch bevor die Wachen ihren Befehl ausführen konnten, setzten sich die verbliebenen Sterblichen verängstigt in Bewegung und verließen den Schauplatz von ganz allein.
Angst und Schrecken rasen auf uns zu.
Donia blickte auf, als die Wilde Meute erschien. Für Sterbliche war sie zwar unsichtbar, doch selbst die abgestumpftesten von ihnen befiel in ihrer Gegenwart Panik. Gabriels Ross befand sich im Zentrum von etwas, das aus sterblicher Sicht wie ein plötzlich hereinbrechendes Gewitter aussah.
Keins der Rösser erschien in Gestalt eines Autos. Vielmehr sahen sie aus wie eine todbringende Menagerie: Ein überdimensionaler Löwe knurrte neben einer eidechsenartigen Bestie; eine drachenähnliche Kreatur lief neben einer Schimäre, und verstreut zwischen ihnen allen rannten skelettartige Pferde und ausgemergelte rote Hunde auf sie zu. Auf den Rössern thronten kampfbereite Hundselfen.
»Dürfen wir dem Winter unsere Hilfe anbieten?«, knurrte Gabriel. Sein Ross war ein riesiges schwarzes Pferd mit einem Reptilienkopf. Es öffnete sein Maul und entblößte die Zähne einer Giftschlange.
»Eure Hilfe ist sehr willkommen«, antwortete Donia den Hundselfen.
Bananach hob ihren Arm gen Himmel, und als sie ihn wieder sinken ließ, schwärmten aus allen Seitenstraßen Elfen herbei, die sich mit dem Krieg verbündet hatten.
Cath Paluc mischte sich ins Getümmel. Die monströs große Katzenelfe preschte auf die Hunde und ihre Rösser zu. Die Wachen des Winterhofs und die Meute warfen sich mit vereinten Kräften in den Kampf gegen Bananachs Elfen, und Donia war dankbar für die überraschend eingetroffenen Partner.
Das Auftauchen von Far Dorcha erfüllte sie allerdings nicht mit Dankbarkeit. Er wartete am Rand des Schlachtfeldes auf einem makaber aussehenden, selbst gemachten Thron, der aus der Wirbelsäule und dem Brustkorb irgendeiner nicht zu identifizierenden Kreatur bestand. Far Dorcha saß mitten zwischen den auseinandergebogenen Rippen, als wäre er von einem riesigen Skelettmonster verschlungen worden.
Die Elfe in dem Wickeltuchkleid ging auf ihn zu, woraufhin der Tod sie kurz anlächelte. Diese flüchtige Geste war der erste Hinweis auf eine Gefühlsregung, den Donia je an ihm beobachtet hatte. Sie währte nur einen Lidschlag, dann hob Far Dorcha den Blick, um Donia anzusehen. Er nickte ihr zu und schaute wieder über die Schulter zu der unbekannten Elfe, die sich neben seinen Knochenthron gestellt und eine Hand darauf gelegt hatte. Dann sahen der Tod und seine Begleiterin zu, wie ihre Elfen zu Boden gingen.
Die Winterkönigin wandte sich von den beiden ab. Sie rückte weiter auf das Schlachtfeld vor und befleckte ihr Eis-Schwert mit Blut, denn sonst wäre ihr eigenes Blut geflossen.
Sinnloser Tod.
Es war gar nicht die Sache der Kriegselfe, selbst zu kämpfen. Sie säte Zwietracht, doch Regenten und deren Elfen angreifen war nicht ihre Aufgabe.
»Ich bin nicht mit meiner vollen Streitmacht hergekommen. Ich will dich lediglich warnen.« Bananachs Ton blieb trotz des wachsenden Chaos auf der Straße beiläufig. »Wenn ich keine Kriegserklärung von dir bekomme, wirst du sterben, Schnee.«
»Du kannst deinesgleichen nicht einfach töten. Es gab keine Kriegserklärung und es wird auch keine geben.« Dieser Satz beinhaltete Hoffnung und Frage zugleich.
Bananachs Elfen strömten weiter in die Straße, wo die Hunde und die Wachen des Winterhofs sie weiter in Kämpfe verwickelten. Anders als bei der Rauferei in Donias Garten ging es hier um Leben und Tod. Meine Elfen. Donia erhob ihr Schwert, als sich eine Elfe auf sie stürzte. Während sie sich verteidigte, kam Bananach über das Schlachtfeld auf sie zu.
Obwohl sie genau wussten, wer sich ihnen da näherte, harrten Evan und mehrere andere Wachleute vor Donia aus. Als die Rabenelfe ihre Hand hob, wusste Donia, dass das Unvermeidliche unmittelbar bevorstand. Bananach bewegte sich einfach zu schnell, als dass Evan
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