Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
dachte über die Worte nach, mit denen Bananach erklärt hatte, warum sie Königin werden konnte. Entweder irrt sie sich und es spielt keine Rolle, oder sie hat Recht und es funktioniert.
Nachdem Bananachs Horden der Rabenelfe die Treue geschworen hatten, schauten sie verzückt zu ihr auf.
»Ich bilde das Gegengewicht … zum König der Finsternis«, sagte Seth so leise wie möglich. »Ich bin der Elf, der Niall ausbalancieren wird. Ich bin der Sohn der Ordnung; die Königin des Lichts hat mich gemacht; ich bin dein Bruder, Niall.«
Auch wenn er sich etwas albern dabei vorkam, wiederholte er diese Worte wieder und wieder, während er auf die Elfenschar und die selbst ernannte Königin herunterschaute.
»Ich bin dein Gegengewicht, Niall … die Ordnung zu deiner Finsternis«, flüsterte Seth.
Bananach stand auf und entfernte sich zwei Schritte von ihrem Thron.
»Ich repräsentiere auf dieser Seite des Schleiers die Ordnung.« Seth erhob sich und umklammerte die Gitterstäbe. »Ich bin die Ordnung zu deiner Finsternis.«
Die Rabenelfe ließ ihren Blick über die versammelten Elfen schweifen und schaute kurz zu Seth hoch.
»Die anderen Regenten wollten mir nicht die Kriegserklärung geben, die ich brauchte; sie lehnen meine Lust auf Gewalt ab. Aber jetzt bin ich selbst Regentin.« Und laut sprach Bananach die Worte, die die anderen Höfe ihr verweigerten: »Ich, die Königin der Finsternis, eure Königin, erkläre den Krieg. Entweder sie beugen sich uns oder sie werden unter unseren Füßen zertrampelt.«
Einunddreißig
Als Donia erwachte, erblickte sie über sich Eiszapfen und ein Gewölbe aus Schnee. Sie stutzte und fragte sich, ob sie draußen übernachtet hatte, doch um ihre Beine war eine Decke gewickelt. Mein Zuhause. Mein Bett. Sie seufzte glücklich. Ihr Zimmer hatte einen so winterlichen Himmel, dass sie kaum glauben konnte, dass sie sich im Innern des Hauses befand. Sie betrachtete die aus glitzernden Eiskristallen bestehende Decke über ihrem Kopf und wandte sich dann dem neben ihr schlafenden Elfen zu.
Hier möchte ich ewig bleiben.
Anders als sonst, wenn sie Keenan berührt hatte, seit sie zur Elfe geworden war, war seine Haut diesmal unverletzt. Ihr Eis verletzte ihn nicht mehr wie vorher, als er noch der Sommerkönig gewesen war. Sie stützte sich auf ihren Ellenbogen und fuhr mit den Fingern ihrer anderen Hand vorsichtig durch seine Haare und über seine nackte Schulter. Von seiner Haut stieg kein Dampf auf, so wie damals, als sie die Sonnenwende zusammen verbracht hatten; keine Flecken zeigten sich wie früher, wenn sie ihn berührt hatte. Das hatte sie sich jahrzehntelang gewünscht und nicht mehr geglaubt, dass es je wahr werden würde – und nun waren sie zusammen.
»Wenn ich mich schlafend stelle, machst du dann damit weiter?« Seine Augen waren noch immer geschlossen, aber er streckte die Hand aus und fuhr über ihren nackten Arm.
Als sie nicht antwortete, sah er sie an. »Don?«
»Sag es mir noch mal.«
Mit demselben verruchten Grinsen, das ihr bei ihrer ersten Begegnung den Atem verschlagen hatte, nahm er sie in die Arme und zog sie an sich. Dann beugte er sich über sie und schaute ihr in die Augen, während er sie erinnerte: »Ich liebe dich, Donia.«
Als er seine Lippen auf ihre drückte, fiel Schnee von oben auf ihn herab. »Und ich werde den Rest der Ewigkeit damit verbringen, dich zu lieben. Jeden Tag.«
»Und jede Nacht«, fügte sie lächelnd hinzu.
»Mmmm, und jeden Morgen?«, fragte er.
Dieser Frage konnte man mit Worten nicht so gerecht werden wie mit Taten, also antwortete Donia ihm mit ihren Händen und mit Küssen.
Nachher, als ein Hunger anderer Art es nötig machte, das Liebesnest – und den schneebedeckten Boden – zu verlassen, konnte Donia gar nicht mehr aufhören zu lächeln. Hand in Hand gingen sie durchs Haus.
Ihre Elfen sahen sie zu ihrer Überraschung beifällig an. »Ich möchte, dass du hierbleibst«, platzte sie heraus.
Keenan blieb stehen. »Hier an Ort und Stelle?«
»Nein.« Donia stellte sich vor ihn hin und sah ihn an. »Bleib hier, wohne hier, lebe hier.«
Sie sah seinen freudigen Gesichtsausdruck und stellte fest, dass sie ihn jetzt, wo er nur noch den Winter in sich trug, noch viel verführerischer fand als früher. In seinen Augen schimmerte der Glanz perfekten Frosts, seine Gesichtszüge wirkten irgendwie klarer.
Und ich muss gar nicht mehr widerstehen.
Mit einem zufriedenen Seufzer zog sie ihn an sich und küsste
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