Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
das will, ja.« Irial klopfte seine immer noch nicht angezündete Zigarette auf den Tisch. »Aber bevor er entscheidet, ob er mich rauswirft oder nicht, muss er erst mal akzeptieren, dass ich hier bin.«
»Kannst du seinen Körper« – Keenan machte eine verlegene Geste – »nach Belieben steuern?«
»Nur, wenn seine Kontrolle nachlässt.« Irial führte die Zigarette zum Mund und steckte sie an. Dann nahm er einen langen Zug und blies den Rauch in Keenans Richtung. »Ich bin überrascht, dass es dir aufgefallen ist. Ich dachte eigentlich, du würdest es trotz all meiner Hinweise nicht kapieren. Ich bin froh, dass es anders gekommen ist, aber verwundert, dass ausgerechnet du es bist, der es begriffen hat.«
»Er ist mein Freund«, war Keenans schlichte Antwort.
Irial stand auf und ging auf Keenan zu. Als sie einander gegenüberstanden, sagte er: »Ich habe deine Mutter gehasst, wie du weißt, aber als dein Vater starb, hat sie sehr getrauert. Die Trauer hat sie zu schrecklichen Dingen getrieben.«
»Er ist gestorben, weil sie ihn getötet hat.«
»Ja, schon« – Irial machte eine wegwerfende Geste –, »aber sie hat trotzdem getrauert, und sie hatte Angst.«
Keenan hätte ihn zu gern geschlagen, aber es war ja nicht wirklich Irial: Nialls Körper würde die Schläge einstecken. »Worauf willst du hinaus?«
»Ich bereue nicht, dass ich deine Macht beschnitten habe. Ich musste es tun, im Interesse meines Hofes, aber ich habe Miach immerhin so weit respektiert, dass es mir leidtat, seinem Sohn wehzutun. Beiras Trauer hat zu viel Zwist geführt. Darum hat Bananach deine Eltern ja überhaupt erst manipuliert. Und sie manipuliert uns genauso wie sie.« Irial blies seinen Rauch erneut in Keenans Richtung. »Nialls Trauer hätte schon viel mehr Opfer gekostet, wenn ich nicht eingegriffen hätte. Er ist aus dem Gleichgewicht und er trauert. Er braucht Freunde. Verbündete. Du musst ihm helfen.«
»Ich weiß.« Keenan wedelte den Rauch weg. »Und ich werde ihm sagen, dass du … hier bist – vorausgesetzt, er hört mir zu. Ich vermute, das ist es, was du willst.«
»Ja.« Irial lächelte, und es war verwirrend, das vertraute Lächeln des ehemaligen Königs der Finsternis, das beinahe ein Lachen war, in Nialls Gesicht zu sehen. »Du weißt natürlich, dass er dir nicht vergeben hat. Er ist nachtragend. Du wirst also versuchen müssen, ihn zu überzeugen. Apropos: Ich könnte dir etwas Lustiges erzählen, was sonst niemand wissen kann. Ein kleines Detail, das dir hilft, ihn davon zu überzeugen, dass unsere Träume real waren – was meinst du?«
»Verschwinde, Irial.«
Irial lachte, als er Keenans unbehagliche Miene sah, dann sagte er: »Wenn du meinst … Aber wenn ich du wäre, würde ich ein, zwei Schritte zurücktreten. Andererseits … ich hab dich noch nie gemocht, also …«
Keenan verdrehte die Augen, trat aber dennoch ein wenig zurück, als Niall wieder zu sich kam.
Über Nialls Gesicht huschte ein Ausdruck der Verblüffung. »Du kannst doch nicht einfach so in mein Haus spazieren.« Er schubste Keenan gegen die Wand und hielt dann inne.
Er schaute Keenan in die Augen. »Was hast du gemacht? Du bist … verändert.«
»Ich habe auf meinen Thron verzichtet.«
Nialls Wut verpuffte, aber er hielt Keenan noch immer mit einer Hand an die Wand gedrückt. »Warum?«
»Der Sommerhof brauchte einen stärkeren Regenten.« Keenan zählte die Gründe an seinen Fingern auf: »Ich wollte mit der Elfe zusammen sein, die ich liebe; die Sommerkönigin wollte ebenfalls mit dem zusammen sein, den sie liebt; und du brauchst vorübergehend einen Berater.«
»Einen … du …« Niall schaute von Keenan zu seiner eigenen Hand. Er ließ ihn los und runzelte die Stirn, offenbar verwirrt von dem Anblick der brennenden Zigarette zwischen seinen Fingern. »Warum sollte ich ausgerechnet dich akzeptieren?«
Keenan antwortete ganz ruhig: »Du warst lange für mich da, Niall. Lass mich jetzt für dich da sein. Die Höfe müssen alle stark sein. Bananach wird uns alle vernichten, wenn wir nichts unternehmen. Irial möchte, dass du weißt …«
»Nein!« Niall schleuderte Keenan erneut gegen die Wand. »Irial …«
»Ist in deinem Körper. Ich habe gerade mit ihm gesprochen. Mit dir. Mit ihm in deinem Körper. Er möchte, dass du weißt, dass er noch immer hier ist.« Keenan blieb vollkommen ruhig. »Erinnerst du dich, wie ich hier reingekommen bin?«
»Nein.« Hoffnungsvoll fragte Niall: »Irial ist
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