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Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Titel: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson , Karl-Ludwig Wetzig
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hat Valli ihr schon den Blutdruck und ihre Größe gemessen, vorsichtig ihren Körper abgetastet, fast wie ein Arzt, und, sagt er, oft sei er beides in einem, Arzt und Priester.

Zwei
    Und es begann eine neue Zeit.
    Valli stellte einen minutiösen Trainingsplan auf, in dem es darum ging, dass sie anfangs kürzere Strecken lief, dann ein Stück ging, wieder lief und so weiter. Kristin, in Joggingklamotten, Schweißband und Laufschuhen, lief, der Hund stets neben ihr; sie lief, sie ging, trabte, verschwand zwischen den Hügeln, sie geriet in Schweiß, schuftete an Vallis Geräten, rhythmische Musik dazu aus dem Fernseher, der Geruch von Schweiß und erhitzten Leibern. Sie lief vom Hof, in immer besserer Form, motivierter, freudiger, das ist das Leben, dachte sie, auch wenn Petur den Kopf schüttelte, die Schwiegermutter den Kopf schüttelte, beide von Übertreibung und Flausen sprachen, gut, dass sie es wenigstens nur dann machte, wenn die Kinder in der Schule waren, aber der Hund immerhin war selig, was gibt es Schöneres, als mit einem Menschen durchs Gelände zu laufen, das ist doch fast zu schön, um wahr zu sein. Wenn das Wetter gut war, lief sie jeden zweiten Tag und ließ dann die Gerätestunde ausfallen, man muss schließlich den Sommer ausnutzen, der so kurz ist, dass man ihn glatt verschlafen könnte. Kristin joggte, und eines Tages traf sie Kjartan.
    An einer Stelle, die von beiden Höfen nicht einzusehen war, und weit außer Hörweite. Kjartan war den Zaun abgegangen, zum einen, um die Größe seines Besitzes am eigenen Leib zu erfahren, und zum anderen, um den Zaun zu kontrollieren, einen Vorschlaghammer und einen zweiten, kleineren trug er samt Zange und fünfzig Krampen bei sich. Kristin trifft auf ihn an der Stelle, wo der Boden aufgeweicht ist, weshalb der Zaun dort leicht Schlagseite bekommt und sich wie in bodenloser Schwermut auf die Seite neigt. Das Wetter war mild, ein dünn bedeckter Sommerhimmel, ein leichter Luftzug, Fliegen brummten, Spinnen krabbelten im Gras, Bekassinen stiegen auf, ließen sich fallen und machten mit ihren Schwanzfedern dieses charakteristische hohe Propellergeräusch. Kristin hatte sich das Sweatshirt um die Hüfte gebunden, trug nur noch ein weißes T-Shirt und schwitzte ganz ordentlich. Auch Kjartan war bei seinem Ringen mit dem schwermütigen Zaun warm geworden, und er hatte den Oberkörper frei gemacht; seine dünne Jacke, Pulli und Unterhemd lagen im Gras. Kjartan ist ein ganz schöner Brocken, das Fett hatte sich gesetzt und hing ihm wie schwere Wolkenpolster um den Hosenbund. Kristin war schon zwanzig Minuten am Stück gelaufen, die Sachen klebten ihr am Leib, daher hatte sie auch das Top ausgezogen und es zusammengefaltet in die Hosentasche gesteckt. Welche Erleichterung! Die Brüste schienen aufzuatmen. Sie rechnete ja auch mit niemandem, in Island begegnet man auf dem Lande kaum je einem Menschen, man sieht vielleicht irgendwo ein Auto oder einmal Leute gleich bei ihren Häusern, aber nirgends sonst, und da stand nun auf einmal Kjartan mit nacktem Oberkörper und sagte, während er den Vorschlaghammer sinken ließ, das Erstbeste, was ihm einfiel: Du hier?
    Ja, antwortete Kristin und versuchte, das Keuchen in ihrer Stimme zu unterdrücken. Genau wie du!
    Mehr fiel ihnen nicht ein, und deshalb redeten sie auch nicht mehr. Weniger als zehn Meter Abstand zwischen ihnen, das nasse T-Shirt spannte wie ein durchsichtiger Handschuh über Kristins Brüsten. Kjartan riss sich zusammen, so gut er konnte, um nicht hinzustarren, aber es reichte nicht, die Augen machten, was sie wollten, da war es doch viel leichter, ein Hund zu sein, die hatten gleich angefangen, sich zu beschnuppern und tauschten Befindlichkeiten aus, Kristins Rüde beschnüffelte das Hinterteil von Kjartans Hündin, als wollte er zum Ausdruck bringen: Da ist etwas, das ich gern näher untersuchen würde. Kristin band den Pullover ab und streifte ihn über, zog den Reißverschluss ein Stück in die Höhe, und das alles so beiläufig wie möglich, um das verlegene Schweigen zu überbrücken. Ich jogge, sagte sie und lachte fast entschuldigend, ich möchte ein bisschen in Form kommen.
    Was du nicht sagst.
    Ja, man muss auf seinen Körper achten, sagte Kristin, biss sich dann aber auf die Unterlippe und lief rot an, wobei ihre Augen rasch über Kjartans Wampe glitten; der aber stieß sein tiefes, jungenhaftes Lachen aus und meinte: Würde mir auch nicht schaden, wobei er sich mit den flachen Händen auf den

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