Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman
schwere braune Überjacke aus grober Wolle an.
Setz noch die Kapuze auf und du siehst aus wie ein Mönch, sagte sie.
Nichts liegt mir jetzt ferner als ein keusches Leben, sagte er, halb lächelnd, halb entschuldigend.
Das ist auch besser für dich, sagte sie und stand ebenfalls auf. Fjola und Brandur sahen sich an.
Aber was ist mit Kristin, fragte Matthias, als sei sie ihm erst jetzt auf einmal eingefallen, und dieser armen Socke von ihrem Mann?
Elisabet zuckte die Achseln. Ich denke, da hat sich vieles verändert, Petur macht sich selbst Vorwürfe, dass er sich nicht um sie gekümmert hat, Kristin wirft ihm sein Desinteresse vor und hat gesagt: Du fängst in dem Moment an zu schnarchen, in dem dein Kopf aufs Kissen fällt, und ich liege neben dir und habe nichts als meine eigenen Finger. Hast du übrigens Angst vor Gespenstern?
Matthias: Na klar. Das heißt, wenn es welche gibt, habe ich auch Angst vor ihnen, denn sie bringen Tod mit sich, und den fürchte ich. Warum fragst du?
Elisabet: Du wirst trotz dieser Angst zum Lager gehen und es mit dem Spuk dort aufnehmen müssen.
Matthias: Spuk! Gestern hast du gesagt, es ginge nur darum, Simmi dazu zu bringen, sich dort um den Strom zu kümmern.
Elisabet: Man darf mir eben nicht trauen.
Matthias: Was willst du damit sagen?
Elisabet lächelte, was sie nicht so oft tut, und deshalb sollten wir jetzt darauf achten. Sie lächelte also. Ihre roten, ein wenig üppigen Lippen öffneten sich und ließen Matthias eine Reihe weißer Zähne sehen, mit einer kleinen Lücke zwischen den Schneidezähnen, im Unterkiefer stehen zwei Zähne schief zueinander, als wollten sie sich gegenseitig stützen. Manchmal sage ich etwas nur, um die Zeit totzuschlagen oder um sie zu ändern, um etwas anzustoßen, um Leute mit irgendwelchen völlig aus der Luft gegriffenen Behauptungen aus dem Konzept zu bringen, die Ruhe aufzustören, die überall um uns herum herrscht, aber jetzt muss ich nach Hause, geh und rede mit den Jungs, die werden sich freuen, dich zu sehen, und sind sicher heilfroh, die Verantwortung abzugeben, und lass mich wissen, wenn du einem Gespenst begegnest, das wäre eine große Erleichterung, denn dann wüssten wir, dass es ein Leben nach diesem hier gibt, und müssen bloß noch herausfinden, wie das danach aussieht, aber vielleicht ist es auch besser, wenn man so wenig wie möglich darüber weiß.
Matthias sah Elisabet an und wirkte etwas unentschlossen; er warf einen Blick zur Theke, wo zwei Köpfe mit zusammengenommen vier Ohren zu sehen waren, strich sich rasch über den Bart, schluckte, als hätte er tief Luft geholt, und sagte dann schnell und leise: Du weißt natürlich, dass ich damals vor allem deinetwegen gegangen bin, oder?
Elisabet antwortete nicht, sah ihn bloß mit diesen Augen an. Er blickte noch einmal zur Theke. Vielleicht wollte ich etwas finden, das wichtiger war als du, ich bildete mir ein, dann wäre es leichter, zurückzukommen, zu dir, meine ich.
Und?
Und was?
Hast du es gefunden?
Nein.
Und bist trotzdem zurückgekommen.
Matthias hob die Arme wie in vollständiger Resignation. Sie sah ihn lange an und erklärte dann, indem sie die Stimme leicht anhob: Ich habe einen langen roten Morgenmantel aus Seide, dünn und genau richtig durchsichtig, er lässt einiges sehen und hält doch etwas für die Phantasie verhüllt. Den werde ich tragen und sonst nichts.
Damit ging Elisabet zur Tür, öffnete und trat in den kühlen Februartag, der schon wieder an Helligkeit abnahm, gerade so, als würde die Luft dichter. Matthias ging ihr nach und sah ihr hinterher, wie sie den Platz überquerte und in Richtung ihres Hauses ging.
Brandur und Fjola waren aufgestanden. Hast du das gehört, fragte sie. Und ob. Brandur fiel es schwer, ruhig zu stehen. Die hat vor, einen Strip hinzulegen!
Sie hat jedenfalls nicht vor, irgendwas zu verbergen, seufzte Fjola und schaute weg, als sie Brandurs Blicke spürte. Dann schüttelte sie den Kopf. Die beiden Schwestern waren schon immer etwas komisch, sagte sie. Ist ja auch kein Wunder, eine Erziehung haben sie auch kaum genossen. Brandur schluckte, sein Gesicht war von einer gewissen Röte überzogen, und seine hohe Stirn leuchtete rot, er rieb sich den Nacken und kratzte sich am Hals und sagte dann zögernd und nachdenklich: Das ist schön, wenn sich Frauen ausziehen. Fjola sah ihn verblüfft an, und Brandur beeilte sich hinzuzusetzen: Vielleicht nicht überall auf der Welt. Fjola sagte nichts. Sie ging nach vorn und
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