Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman
zurückgegangen?
Noch nicht. Er sagt, er hätte den Bus verpasst.
Es kommen andere Busse.
Nicht immer.
Und nun?
Da musst du ihn schon selbst fragen, aber du weißt, wie Davið als Kind war, und er hat sich wenig verändert, lebt noch immer halb in seinen Träumen, und solche Menschen irren manchmal zwischen dem, was wir die Realität nennen, und ihrer Einbildung hin und her.
Und dieser Kjartan, was ist mit dem, was ist seine Story, war der nicht Bauer auf irgend so einem Misthof?
Doch, in den nördlichen Tälern.
Und warum ist er nicht bei seinen Schafen geblieben? Wofür muss der denn büßen?
Tja, da steckt auch so eine Geschichte dahinter, sagt Elisabet, und ihre Augen scheinen größer zu werden. Fjola wirft Brandur grinsend einen Blick zu, der versucht, zurückzulächeln, plötzlich von einem gierigen Verlangen nach ihr befallen, dabei hat er noch nie an sie gedacht, wenn er mit seiner Hand, den Pornoheftchen und seinen Phantasien allein zuhause war, Brandur ist unverheiratet, wir wüssten nicht, dass er überhaupt schon jemals mit einer Frau zusammen war, und Fjola hat für seinen Geschmack zu breite Hüften, einen zu kräftigen Busen, oh ja, der springt wirklich zu auffällig ins Auge, außerdem ist sie zu dominant und zu vorlaut, aber jetzt ist das auf einmal alles anders. Brandur betrachtet sie.
Eine lange Geschichte?, fragt Matthias.
Elisabet zuckt mit den Schultern. Vielleicht eine Viertelstunde.
Dann esse ich erst mal was. Veilchenäugige Fjola, ruft er plötzlich lauter, brat mir doch bitte zwei Eier! Das Eigelb mit reichlich Skyr verlängern und das Weiße auf eine Scheibe Schwarzbrot und gut pfeffern.
Genau wie in alten Zeiten, sagt Fjola gut gelaunt und richtet sich auf.
Hoffentlich sind sie nicht zu alt, sagt Matthias und guckt auf seine Hände, als könnten sie ihm zeigen, wie die Zeit vergangen ist.
Fjola ist flink, Brandur sieht ihr zu, wie sie die Eier brät, den weißen Sauerquark unterrührt und das Brot belegt. Sie hat kräftige dicke Arme, die großen Brüste wallen, während sie breitbeinig dasteht und rührt. Fühlt sich so die Liebe an, denkt Brandur und legt die Hand auf die Brust, um dem Brausen in seinem Herzen nachzufühlen.
Fjola geht nach vorn, nimmt im Gehen die Kaffeekanne mit, strahlt die beiden an, Matthias allerdings deutlich breiter, und kehrt auf ihren Posten zurück. Brandur will sie eigentlich nur ansehen, und zwar nicht nur in diesem Moment, sondern immer, denn sie erscheint ihm schöner als der Sommer.
Matthias blickt auf seinen Teller, nimmt den Löffel und murmelt etwas von der Zeit.
Elisabet: Ja, man denkt eine Weile an sich, und schon sind zehn Jahre vergangen.
Drei
Fjola und Brandur hockten hinter der Theke, während Elisabet Matthias die Geschichte von Asdis und Kjartan erzählte, und dann war sie zu Ende, obwohl Geschichten niezu Ende sind, denn sie gehen noch weiter, lange nachdem wir einen Punkt gesetzt haben, und außerdem erfassen wir nie die ganze Geschichte, sondern immer nur Bruchteile, und müssen uns damit begnügen. Elisabet befeuchtete die Lippen mit der Zungenspitze, die feucht aufglänzte. Die Zunge ist ein kräftiger Muskel im Maul der meisten Wirbeltiere und hat eine wesentliche Aufgabe bei der Nahrungsaufnahme, doch beim Menschen ist sie eines der Hauptsprechwerkzeuge. Matthias strich mit Daumen und Zeigefinger über den schmalen Schnurrbart, seine Augen ließen nicht von Elisabets Gesicht, kleine, aber lebhafte Augen, dichtes, strubbeliges Haar, das er vermutlich nie kämmte. Und wie geht’s ihnen, fragte er, hat sie ihm verziehen, schlafen sie getrennt, und was ist mit den Kindern? Du bist noch nicht fertig mit deiner Geschichte.
Doch, sie ist zu Ende, sagte Elisabet, manches kann man nicht verzeihen, darf man nicht verzeihen, du machst dich schuldig, und es ist nie wieder wie vorher.
Du bist hart.
Nein, realistisch.
Und schlafen sie getrennt?
Ich höre bei Asdis heraus, dass er manchmal aufs Sofa umziehen muss, wohl nicht sehr oft. Sie hat per Fernstudium die Hochschulreife nachgeholt und nimmt jetzt Unterricht an der Wirtschaftshochschule in Bifröst, hat bei meinem Schwager, dem Landrat, Arbeit bekommen und ist inzwischen seine rechte Hand.
Und die Kinder?
Die haben sich im Ort eingelebt, wollen gar nicht mehr woanders wohnen, sie haben es näher zu Nachbarn und Spielkameraden, das ist Kindern wichtig, aber sie werden nie die kleinen Welpen vergessen.
Das tue ich auch nicht, sagte Matthias, erhob sich und zog die
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