Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman
räumte Elisabets und Matthias’ Tassen und Teller weg, ein Auto fuhr an die Zapfsäulen, und Brandur ging eilig zur Tür, packte den Griff, es konnte nicht schaden, an die Luft zu kommen, um sich abzukühlen, die Ohren glühten förmlich, doch in dem Moment, in dem er die Tür öffnen wollte, sagte Fjola: Heute wirst du dich damit begnügen müssen, den Zapfen in den Benzintank zu stecken, mein lieber Brandur.
Vier
Auf dem Weg zum Lager blieb Matthias nur vor dem Schaufenster des Kaufladens stehen und betrachtete die drei Ansichtskarten. Er lächelte vor sich hin, erinnerte sich vielleicht, wo er sie gekauft und bekritzelt hatte, dann ging er weiter, schaute nach links,wo Elisabet inzwischen bis zur Bünaöarbank gekommen war, dann verschwand sie hinter der Post und kürzte den Weg nachhause ab, und so manch einer hätte seine rechte Hand, drei Monate seiner Gesundheit, sein Auto oder sogar seinen Hund dafür gegeben, jetzt derjenige zu sein, auf den sie wartete.
Matthias ging in seiner Mönchskutte mit unbeschwertem, etwas schaukelndem Gang am Laden entlang, blieb an der Ecke stehen und schaute in die schmale Gasse zwischen Laden und Lager, die manchmal Berlingssund hieß. Er steckte die Hände in die Taschen und dachte nach. So lässt sich gut nachdenken, es bringt Ruhe mit sich, etwas Weiches, manchmal Traurigkeit oder Melancholie, und wer so mit den Händen in den Taschen dasteht, eine Schulter an die Hauswand gelehnt, und nachdenkt, ist von niemandem abhängig, sondern für eine Zeitlang ein freier Mann. Dann nahm Matthias die Hände aus den Taschen und ging weiter, als eine Frau und ein Mann aus dem Laden kamen. Sie sahen, wie Matthias sich bückte, etwas aufhob und in die Tasche steckte. Die beiden blieben schweigend stehen, der Mann schien tief in Gedanken versunken, und die Frau beobachtete ihn. Es war Rosa, eine Bäuerin aus den südlichen Tälern, sie sitzt im Gemeindeausschuss, kann gut organisieren und Dinge umsetzen, es passiert hier wenig in der Gegend, bei dem sie nicht ihre Hände im Spiel hätte. Oft stellt sie sich einen Stuhl vors Haus und spielt den Hühnern auf dem Hof traurige Lieder auf ihrer Geige vor, dem Hund und den Kindern und manchmal einem vorwitzigen Kalb. Der Mann wohnt im Ort, es ist Daniel, der Tierarzt, der seinerzeit Simmis gebrochenes Bein versorgt hat, nachdem der vom Pferd gefallen war. Manchmal hat Daniel eine Whiskyfahne, er träumt von Rosa, schreibt ihr Liebesbriefe, die er der Nacht vorliest und seinem zwölf Jahre alten Kater, dann locht er sie und heftet sie in einen Ordner. Als sie den Laden verließen, streifte seine Hand ihre Jacke, ein Strom durchzuckte ihn, und das Leben war schön. Er steht neben Rosa, genießt einen Augenblick des Glücks und sieht zu, wie Matthias die Tür zum Lager öffnet und darin verschwindet.
Drinnen hing Kjartan am Telefon, ein neuerlicher Versuch, endlich Simmi zu erreichen, denn die Ersatzteile waren eingetroffen, sie konnten anfangen, endlich sollte die Dunkelheit überwunden werden. Davið saß auf seinem Platz, den Stuhl gekippt, mit dem Hinterkopf gegen die Wand gelehnt, die Augen halb geschlossen, die Gesichtszüge eines Schlafenden. Es ist bedenklich, seinen Träumen zu nahe zu kommen, sie können einen dem Leben gegenüber apathisch machen, sie setzen sich an die Stelle des eigenen Willens, und was ist schon ein willenloser Mensch?
Fünf
Es war gegen Abend, als Matthias an Elisabets Tür klopfte, aber es öffnete niemand, und er sah sich erfolglos nach einer Türklingel um. Klingeln sind laut und schrill, und hast du keine, dann kannst du, wenn dir danach ist, so tun, als würdest du das Klopfen nicht hören und hast deinen Frieden,wenn dir nicht nach Reden ist. Matthias zögerte, griff dann nach der Klinke, und die Tür schwang auf; drinnen war es ziemlich dunkel. Er machte sich nicht bemerkbar, rief nicht Hallo, hier bin ich, sondern trat einfach ein, zog die Schuhe und seine Kutte aus und ging ins Wohnzimmer, da sah er Elisabet.
Dann vergingen drei Tage, und keiner sah sie.
Kjartan lag zuhause im Bett und schlief geschlagene sechzehn Stunden am Stück einen tiefen, traumlosen Schlaf, sein mächtiger Leib lag völlig bewegungslos da, der Brustkorb hob und senkte sich wie ein stilles Meer, Asdis und die Kinder verhielten sich still. Auch Davið schlief lange, aber nur weil er sich in Träumen verhedderte, der Schlaf ist eine Höhle, in die er hineinschlüpft, da ist er sicher. Bald nachdem er aufgewacht war, suchte er
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