Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman
der Freitagabend. Das ist wie leere Zimmer oder leere Küchenstühle. Diese Art von Miete soll mir einfach für ein paar Stunden etwas Gesellschaft bringen.
Das habe ich nicht gewusst, sagte Gaui.
Was wusstest du nicht?
Dass du einsam bist.
Ich bin nicht einsam, ich langweile mich nur abends manchmal. Dann drehe ich gern eine Runde durchs Dorf und sehe die Familien gemeinsam vor dem Fernseher oder am Esstisch sitzen, mich machen diese Spaziergänge ein wenig traurig, und ihr erspart sie mir, wenn ihr euch auf die Bedingungen einlasst.
Gaui und Geröur mieteten die Kellerwohnung für knapp zwei Jahre und machten die Erfahrung, wie schwer es sein kann, fünfzehn Minuten lang zu erzählen und dabei ungeschmälert Asis Aufmerksamkeit wach zu halten. Zuweilen endete eine Geschichte in einem Fiasko, doch im Lauf der Zeit wurden sie besser, die Geschichten wurden länger, Asi freute sich regelrecht darauf, und manchmal auch sie selbst. Das Leben hat eben auch seine schönen Seiten. Dann tauschten sie: Asi zog in den Keller, die Familie nach oben. Mittlerweile arbeitet Gaui nicht mehr bei der Stromgesellschaft, er war ein lausiger Elektriker, man beschäftigte ihn nur aus Nettigkeit und wegen Asi, aber andauernd kamen Leute und fragten ihn nach juristischen Dingen, Fragen, mit denen sie nicht eigens den Landrat behelligen wollten, der genug um die Ohren hatte, und so kam es, dass die Eheleute hier im Dorf eine gemeinsame Anwaltskanzlei mit Buchhaltungsbüro eröffneten; Aufträge besorgten sie sich über den Bezirk hinaus bis nach Reykjavik, aber wieder dorthin zurückzuziehen kam nie ernsthaft in Frage, auch für die Kinder nicht. Es lebt sich gut hier, musst du wissen, wenn man mit der Einsamkeit zurechtkommt. An kleinen Orten wirkt das Leben manchmal größer. Der einzige wirkliche Schatten über Gauis Leben ist der Alkohol. Er hat zwar seit neun Jahren keinen Tropfen mehr angerührt, aber manchmal wird er schon aus Erinnerung so zittrig, dass er sich ins Bett legt und eine ganze Woche darin liegen bleibt und vor sich hin starrt. Dann schleichen die übrigen Mitglieder der Familie nur noch durchs Haus, und wir fahren langsamer, wenn wir an seinem Haus vorüberfahren. Das ist, wie gesagt, der einzige Schatten, aber bald gehen die Kinder auf die weiterführende Schule, dann stehen ihre Zimmer leer, der Staub wirbelt nur noch selten auf. Das Leben aber ändert sich ständig und setzt keinen Staub an. Eines Tages ist alles zu Erinnerungen geworden, und du bist tot.
Drei
Gaui also kommt mit ziemlicher Fahrt die abschüssige Straße herab, die in einem Bogen an der soeben in ein Restaurant verwandelten Strickerei vorbeiführt. Es macht Spaß, schnell zu fahren, aber er hältsich gut am Lenker fest, denn das Leben ist ein Faden, der leicht reißt. Elisabet steht gerade mit dem Akkuschrauber in drei Metern Höhe auf der Leiter, es ist ein noch einigermaßen milder Spätsommertag, die Beeren sind schon ordentlich reif, und wir haben sie eimerweise gesammelt an den Berghängen und in den kleinen Seitentälern mit grasüberwachsenen Resten alter Schafhürden und Tausenden von Halmen, die Zeichen in die Luft schreiben. Gaui bringt das Rad mit einem gekonnten Schwung zum Stehen und schiebt es zwischen die Zuschauer, unter denen gedrückte Stimmung herrscht; Elisabet montiert gerade ein Stück Vergangenheit ab, sie trägt Bluejeans und darüber ein flatterndes kariertes Arbeitshemd, ihr schwarzes Haar fließt über den Kragen. Gaui stellt sich neben die Leiter und betrachtet die Buchstaben, die Elisabet schon abgeschraubt hat. Sie lehnen an der Wand, müde und durcheinander, haben ihre Bedeutung verloren. Sie lockert gerade das erste a , Gaui schaut nach oben, unter ihr Hemd, auf ihren nackten Rücken, aber zum Glück trägt sie noch ein knappes schwarzes Top darunter, also kann er ruhig weiter gucken, ist doch besser, man kann den ansehen, mit dem man spricht, außerdem ist der nackte Rücken einer Frau ein schöner Anblick, nichts dagegen einzuwenden.
Was passiert jetzt mit den Buchstaben?, fragt Gaui und hebt etwas die Stimme, um das Geräusch des Schraubers zu übertönen. Erst gibt Elisabet keine Antwort, nimmt zuerst das a ab, kommt damit die Leiter herab und drückt es Gaui in die Hand, klettert dann wieder hinauf. Sie hat kräftig ausgebildete Kiefer, mit so was kann man nicht gerade an Schönheitswettbewerben teilnehmen. Gaui fragt noch einmal, und da antwortet Elisabet endlich: Darüber habe ich noch gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher