Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman

Titel: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson , Karl-Ludwig Wetzig
Vom Netzwerk:
Frauen wurden nie Kriege geführt, ihr Busen ist klein, die Schenkel feist, aber sie hat heidefarbene Augen, die an raues Heideland in strahlendem Sonnenschein erinnern. Wie ein junges Mädchen läuft sie in die Küche und kommt mit einem Paket Schokokekse und Milch zurück, worüber Jakob ganz seine schmerzende Schulter vergisst und etwas sagt, was wir hier lieber nicht wiedergeben möchten, aber wie er es sagt, mit seinem Atem vermischt, mit seiner Stimme, seinem Blick, klingt es schön; wenn wir es ohne all das auf Papier festhielten, würde es sich nicht zu seinem Vorteil anhören.
    Die Adventsfahrt der beiden ist der Höhepunkt des Jahres, sie strahlen schon lange im Voraus, und unwillkürlich hellen sich auch unsere Mienen auf, wir werden ebenfalls von Vorfreude ergriffen. Das Licht, das über ihrer Fahrt liegt, leuchtet so hell, dass Gott sicher aufmerkt, und wenn sie losfahren, liegt Gott in der Koje hinter den Sitzen, den Vorhang vorgezogen, ruht er sich von den Mühen des Universums aus, dem ewigen Geschwätz der Engel, er lauscht dem Murmeln der Welt, dem Brummen der Heizung, der Unterhaltung von Eyglo und Jakob, und summt vielleicht leise zur Begleitung von Ásí í Bæ oder Elvis, und wenn in den beiden da vorn wieder einmal die Lust erwacht, wenn Eyglo zum Beispiel sagt, es macht mich richtig an, wie du den Schaltknüppel in die Hand nimmst, und dann Jakob über den rechten Schenkel streicht, der daraufhin bei der nächsten Möglichkeit in einen kaum befahrenen Seitenweg abbiegt, dann steigt Gott aus, stellt sich zum Pinkeln an den Straßenrand, wirft Steinchen und pfeift vor sich hin, während die beiden die Koje brauchen. Danach geht es weiter. Das Licht auf den Bergen, die Straße, die Wolken und die Gräben, die Bauernhöfe, die Flüsse und die beiden im Wagen vorn sind schön.

Tekla und der Mann, der die Fische nicht zählen konnte
    Es war uns seit langem klar, dass die Tage der Strickfabrik vorbei waren, vielleicht hatte es nie eine andere Grundlage für ihren Betrieb gegeben als die Wette zweier betrunkener Politiker und damit einen weiteren Grund für uns, die Fortschrittspartei zu wählen; wir hatten ohnehin lange Zeit nicht genügend Phantasie, unser Kreuzchen einmal irgendwo anders zu machen. Gegen alle Gesetze der Betriebswirtschaft – so wenig darf man ihr eben glauben – hatte es der Astronom unter seiner Ägide immer verstanden, die Firma in den schwarzen Zahlen zu halten, dann aber war das vermaledeite Latein ins Spiel gekommen, dem folgten die Sterne, der Himmel zwischen ihnen, unzählige Briefe aus aller Welt und so weiter. Dagegen bedeutet eine kleine Strickerei, auch wenn sie mit Großbuchstaben geschrieben wird, wenig. Aber was soll’s, alles geht einmal zu Ende, das Leben eines Menschen, das Leben eines Volkes, die Maschinen wurden in einen anderen Ort verfrachtet, und die Sonne schien in die leere Halle der Strickerei. Wenn wir daran vorbeigehen mussten, schauten wir unwillkürlich in eine andere Richtung, denn kaum etwas ist so trist wie ein Gebäude, das einmal vor Leben und Bedeutung sprudelte, nun aber gähnend leer steht; es ist schlichtweg deprimierend, keiner pinkelt ins Klo, niemand öffnet ein Fenster. Die zehn Hände schlugen vor, die öffentlichen Whistabende aus dem Gemeindezentrum in die ehemalige Prjónastofa zu verlegen, und Kjartan wollte Billardtische und Tischtennisplatten dort im Erdgeschoss aufstellen und damit das Gemeinschaftsleben in den langen Wintern etwas auffrischen. Davið erinnerte daran, dass uns eine richtige Bibliothek fehlt, es bringe gar nichts, die Ortsbücherei und die Schulbibliothek unter einem Dach zu haben, Valli meinte, das Haus sei erstklassig für ein Fitnessstudio geeignet, Helga unterstützte Kjartan, wollte aber zusätzlich auch Zeitschriften auslegen und Computer und Spielautomaten aufstellen. Doch während sich die meisten mit Einfällen zufriedengeben, gehen andere einen Schritt weiter, und eines Tages erschien Elisabet mit einem Eimer Farbe, mit Hammer, Kuhfuß und einer Leiter; es war Anfang Mai, vier Monate nachdem Matthias aus dem Bus gestiegen war, der Computer auf seinem Schreibtisch summte, Kjartan und Davið machten ihre Arbeit und im Lager war so weit alles okay, nur wollte sich noch immer niemand nach Einbruch der Dunkelheit dort aufhalten. Doch wie gesagt, da tauchte Elisabet auf mit Farbe, Leiter, Kuhfuß und Hammer, und seitdem störten Hammerschläge Abend für Abend den Fernsehgenuss der Umwohnenden. Elisabet

Weitere Kostenlose Bücher