Sommerliebe eine Anthologie aus 8 sinnlich-romantischen, humorvollen und erotischen Gay -Love -Storys (German Edition)
eher für „Askaban“ gehalten hatte… Irrsinn war immer auch tragisch. Und jetzt hatte er einen jungen Mann in Aussicht, wohl nur ein paar Jahre jünger als er selbst mit seinen einunddreißig Jahren, der sich für einen Elf hielt. Guter Elf oder böser Elf? Das war wohl die Frage.
Wilhelm schob die Bücher zur Seite und schielte auf die Uhr. Zehn vor Elf. Er unterdrückte ein albernes Auflachen. Ernst nehmen, das war das A und O. Was auch immer sie erzählen mochten, sie hatten ein Recht darauf, mit Würde behandelt zu werden und nicht verlacht. Nur so konnte man durchdringen, nur so ihnen helfen.
Er stand auf und sah sich um. Eine originale Siegmund-Freud-Couch hatte er nicht zu bieten, aber immerhin eine pseudo-heimelige Sitzecke, in der sich seine Patienten halbwegs entspannen konnten, während er mit ihnen sprach. Beige Polstermöbel mit pastellfarbenenKissen, ganz und gar nicht sein Geschmack, aber auf die meisten positiv wirkend – und viel mehr hatte das Polizei-Budget auch nicht hergegeben. Er rückte die Kissen gerade und goss noch etwas Wasser in die Vase mit den Freundlichkeit suggerierenden bunten Tulpen. Hoffentlich bekam der bei Schnittblumen keine Krise – aber nein, er hatte ja selbst an den Rosen rumgezupft, da mochten die Pflanzen durchaus positiv auf ihn wirken.
Es klopfte, er hörte Ulrichs Stimme um Einlass fragen. Ulrich war Karlas etwas angegrauter Einsatzpartner, gemütlich aussehend, aber mit Haaren auf den Zähnen. Er wartete üblicherweise vor der Tür und las in irgendwelchen Berichten, falls einer der inhaftierten Patienten mal ausrastete und versuchte, Wilhelm zu vermöbeln. Das kam gelegentlich vor, gerade bei Drogensüchtigen auf Entzug, die bremsten keine guten Worte. Ein blaues Auge pro Jahr ließ sich leider nicht vermeiden, aber ansonsten hatte er bisher Glück und gute Kollegen gehabt.
Wilhelm setzte sein professionell freundliches Lächeln auf, das jedoch nicht ganz vermeiden konnte, dass er innerlich etwas erstarrte, als sein neuer Klient eintrat. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie Ulrich etwas gebeutelt den Petunientopf hielt.
Herr Elf war nicht bloß „lecker“, sondern bildschön – und sah wirklich aus wie ein verfluchter Elf.
Bei Wahrnehmungsstörungen wie dieser klafften Wunsch und Wirklichkeit nicht selten frappierend auseinander, was dann zu asthmatischen Ninjas, kleinwüchsigen Riesen oder verfetteten Amazonen führen mochte. Aber diesmal nicht, der hatte sich wirklich die passende Macke ausgesucht.
Die ganze Erscheinung umwaberte eine Aura von Leichtfüßigkeit und Eleganz, die blattgrünen Haare fielen in dichten, glänzenden Strähnen bis auf die schmalen Hüften – da musste ein Meisterfriseur am Werke gewesen sein, Himmel, selbst das Schamhaar waren grün! Da war jemand sehr gründlich gewesen. Er war muskulös auf die Art eines Tänzers und hatte eine ebenmäßige, helle Haut. Das Gesicht war fein geschnitten, sinnlich und unschuldig zugleich, und ein paar warme braune Augen richteten sich weit aufgerissen auf ihn. Wilhelm schluckte. Karlas Warnung war gut gemeint gewesen, aber ein wenig unzureichend. Allerdings hatte er sie auch nicht recht zu Worte kommen lassen. Er verpasste sich innerlich einen Tritt, mahnte sich, sich gefälligst wieder einzukriegen, und lächelte entschlossen weiter.
„Herr Lorbeerblatt?“, begrüßte er ihn, ohne auf ihn zuzutreten, das konnte auf einige verängstigend wirken, immer die Ruhe behalten. Und bloß nicht plump die falsche Identität anzweifeln.
„Ha ... hallo“, erwiderte der andere zögerlich. Seine Augen flitzten etwas nervös durch den Raum und über Wilhelm, dann blieben sie an den Tulpen hängen. Der Rosenkranz auf seinem Kopf sah schon reichlich lädiert aus, gab seiner Erscheinung aber etwas zusätzlich Surreales.
„Ich heiße Wilhelm Wagner. Ich bin Psychologe und soll Ihnen helfen, verstehen Sie das?“, fragte er sanft.
Lorbeerblatt nickte und sah ihn erneut an. Die Farbe seiner Augen erinnerte irgendwie an eine Baumrinde. „Das ist nett“, sagte er gefasst. „Aber Sie können mir nicht helfen.“
„Vielleicht doch. Ich habe schon vielen geholfen. Möchten Sie es nicht einmal probieren?“, blieb er am Ball.
Der Möchtegern-Elf legte den Kopf in einer anmutigen Geste schief und schien etwas gequält zu lächeln. „Ich begreife, Sie müssen das tun, nicht wahr…? Das ist Ihr… Beruf? Und ich muss das auch tun, weil ich ein Gefangener bin und verrückt?“, fragte er.
„Äh…
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